Sozialversicherung - 16.02.2023

Digitalisierung des Meldeverfahrens

Am 1. Dezember 2022 hat der Bundestag das Achte SGB IV-Änderungsgesetz verabschiedet. Gemäß dem Grundsatz, dass kein Gesetzentwurf den Bundestag so verlässt, wie er eingebracht wurde, sind in letzter Minute noch weitere Änderungen eingeflossen, die sich unmittelbar auf die Entgeltabrechnung auswirken. Einige von ihnen sind bereits zum 1. Januar 2023 in Kraft getreten und betreffen nicht nur das Meldeverfahren bzw. den elektronischen Datenaustausch.

Verbeitragung von Arbeitszeitguthaben

Soweit nach dem Ende bzw. der Unterbrechung einer Beschäftigung noch Arbeitszeitguthaben vorhanden ist, das während der Beschäftigung nicht durch Freistellung aufgezehrt werden konnte, ist es als Einmalbezug abzugelten. Bei der Auszahlung stellt sich die Frage der Beitragspflicht.

Anders als für laufend gezahltes Arbeitsentgelt gelten für Einmalbezüge besondere Regelungen zur Beitragspflicht. Einmalzahlungen, die nach dem Ende der Beschäftigung gezahlt werden, sind dem letzten Entgeltabrechnungszeitraum der Beschäftigung zuzuordnen, aus der die Einmalzahlung resultiert, auch wenn dieser nicht mit laufend gezahltem Arbeitsentgelt belegt ist.

Wird die Einmalzahlung weder im Kalenderjahr des Beschäftigungsendes noch im ersten Quartal des Folgejahres („März-Klausel“) ausgezahlt, ist die Einmalzahlung beitragsfrei. Dieser Grundsatz wird zumindest bei Abgeltungen von Arbeitszeitguthaben, die nach dem Ende bzw. der Unterbrechung der Beschäftigung ausgezahlt werden, durchbrochen. Solche Abgeltungen, die ab dem 1. Januar 2023 ausgezahlt wurden oder werden, sind aufgrund der Gesetzesänderung immer dem letzten Entgeltabrechnungszeitraum der Beschäftigung zuzuordnen, selbst wenn dieser schon Jahre zurückliegt. Wenn diese Zuordnung im Entgeltabrechnungsprogramm (noch) nicht möglich ist, muss die Beitragsabrechnung über Ausfüllhilfen wie sv.net durchgeführt werden.

Verpflichtende Versicherungsnummernabfrage

Bereits seit 2016 können Arbeitgeber die Sozialversicherungsnummer bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) elektronisch abfragen, soweit der Arbeitnehmer dazu keine entsprechenden Angaben gemacht bzw. Unterlagen vorgelegt hat. Dieses bislang optionale Abfrageverfahren ist seit dem 1. Januar 2023 verpflichtend.

Der ursprüngliche Sozialversicherungsausweis (SV-Ausweis) wird schon seit Jahren nicht mehr ausgestellt. Vielmehr wurden bei Neuvergabe Nachweise erstellt, aus denen die Versicherungsnummer hervorgeht. Persönliche Angaben des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber aus amtlichen Dokumenten zu entnehmen. Die Versicherungsnummer hingegen darf der Arbeitgeber nunmehr nur noch über das Abfrageverfahren bei der DRV in Erfahrung bringen (§ 5 Abs. 6 DEÜV – Datenerfassungs- und -übermittlungsverordnung). Dies ist gerade bei der Anmeldung von neuen Beschäftigten relevant. Der Arbeitgeber muss hier nun stets im Vorfeld der Übermittlung der Anmeldung die Versicherungsnummer verpflichtend elektronisch abfragen. Nur soweit die Abfrage bei der DRV zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, hat der Beschäftigte den SV-Ausweis bzw. den Versicherungsnummernachweis vorzulegen; in diesem Fall besteht eine gesetzliche Vorlagepflicht seitens des Arbeitnehmers. Meldet die DRV zurück, dass bislang keine Versicherungsnummer vergeben wurde, hat der Arbeitgeber eine Neuvergabe zu beantragen. 

Abschaffung SV-Ausweis

Die Verpflichtung zur Vorlage des SV-Ausweises bei Beschäftigungsaufnahme wurde aus dem Sozialgesetzbuch gestrichen und der Ausweis selbst durch den Versicherungsnummernachweis ersetzt. Der von der DRV nunmehr auszustellende Versicherungsnummernachweis enthält neben der Versicherungsnummer auch den Vor- und Nachnamen, den Geburtsnamen und das Ausstellungsdatum. Bei Verlust, Beschädigung etc. kann der Nachweis weiterhin bei der Krankenkasse/Minijob-Zentrale bzw. bei der DRV nachgefordert werden.

Bestandsprüfungsverfahren hat ausgedient

Passen die übermittelten Daten und der Datenbestand bei der Krankenkasse bzw. Minijob- Zentrale nicht zusammen, müssen die Unstimmigkeiten in Abstimmung mit den Arbeitgebern beseitigt werden. In der Regel ist es für die Arbeitgeber praktikabler, wenn sie die in Rede stehende Meldung von sich aus stornieren und eine Korrektur übermitteln. Andernfalls waren die Krankenkassen bzw. die Minijob-Zentrale bislang in der Lage, die Daten im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber so abzuändern, dass die Meldung zum dortigen Datenbestand passt. In diesen Fällen war allerdings eine sog. Bestandsrückmeldung an den Arbeitgeber zu übermitteln, sodass dieser die im Entgeltabrechnungsprogramm hinterlegten Informationen entsprechend korrigieren konnte.

Als hauptsächliche Fehlerquelle wurde in den vergangenen Jahren die Verwendung einer falschen Versicherungsnummer identifiziert. Mit der nunmehr verpflichtenden Versicherungsnummernabfrage sollte es nahezu ausgeschlossen sein, dass sich die bei der Krankenkasse bzw. der Minijob-Zentrale und dem Arbeitgeber hinterlegten Daten unterscheiden.

Dass die Klärung nicht zusammenpassender Datenbestände nun außerhalb des elektronischen Meldeverfahrens erfolgt – in der Regel papiergebunden –, ist sicherlich nicht optimal. Auch muss gerade in der nächsten Zeit mit Mehraufwand gerechnet werden, soweit die Meldungen noch im Jahr 2022 – also vor Einführung der verpflichtenden Versicherungsnummernabfrage – mit einer falschen Versicherungsnummer übermittelt wurden, die Krankenkasse bzw. die Minijob-Zentrale aber nicht mehr in die fehlerhafte Meldung eingreifen kann.

Rechtsverbindliche Auskunft der Einzugsstellen

Zu Beginn und bei jeder wesentlichen Änderung im Beschäftigungsverhältnis prüfen die Arbeitgeber, ob Versicherungspflicht oder -freiheit besteht und welche Beiträge zu zahlen sind. Benötigen sie dabei Unterstützung, brauchen sie nicht auf den Betriebsprüfer der DRV zu warten. Die Krankenkassen und die Minijob-Zentrale können seit jeher im konkreten Einzelfall per Bescheid Entscheidungen über das Bestehen von Versicherungspflicht bzw. -freiheit und die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung treffen. Zum 1. Januar 2023 erfolgte diesbezüglich die gesetzliche Klarstellung, dass auf Verlangen des Arbeitgebers ein schriftlicher oder elektronischer Bescheid zu erteilen ist.

Befreiung von der Rentenversicherungspflicht bei Minijobbern

Geringfügig entlohnte Beschäftigte sind grundsätzlich rentenversicherungspflichtig. Eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ist auf Antrag des Beschäftigten beim Arbeitgeber möglich, eine elektronische Antragstellung war bislang unzulässig. Seit dem 1. Januar 2023 kann der Befreiungsantrag nun auch elektronisch an den Arbeitgeber übermittelt werden.

Arbeiten neben dem Rentenbezug

Für Altersrentner, die vor Vollendung des Regelrentenalters noch arbeiten, waren bislang Hinzuverdienstgrenzen zu beachten. Abhängig von der Höhe des Hinzuverdienstes wurde die Altersrente unter Umständen gekürzt, sodass nur eine Teilrente ausgezahlt wurde. Nach Erreichen des Regelrentenalters konnte bereits bislang unbegrenzt hinzuverdient werden.

Diese sozialpolitische Unwucht wurde nunmehr beseitigt. Sah der erste Entwurf des Achten SGB IV-Änderungsgesetzes noch eine deutliche Ausdehnung der Hinzuverdienstgrenzen wie schon während der Coronapandemie vor, so hat der Gesetzgeber letztlich erkannt, dass sich hier die Möglichkeit für eine deutlich spürbare Entbürokratisierung bietet.

Aus leistungsrechtlicher Sicht gibt es insoweit keine Notwendigkeit mehr, eine Teilrente aktiv zu beantragen, da die Altersrente trotz Hinzuverdienst als Vollrente ausgezahlt werden kann. Unabhängig davon können Altersrentner nach wie vor die Zahlung einer Teilrente beantragen. Als Mindestwert für eine Teilrente gelten zehn Prozent der Vollrente. Abhängig vom Bezug einer Altersrente als Teil- bzw. als Vollrente fällt entweder der allgemeine oder aber der ermäßigte Beitragssatz in der Krankenversicherung an. Dies ist bei der Entgeltabrechnung zu berücksichtigen.

Bei Erwerbsminderungsrenten hingegen hält der Gesetzgeber an den Hinzuverdienstgrenzen fest. Diese sind weiterhin am Restleistungsvermögen des Erwerbsgeminderten ausgerichtet; zum Jahreswechsel wurden sie aber stark erhöht.

Rente wegenHinzuverdienstgrenze
voller Erwerbsminderung3/8 der 14-fachen monatlichen Bezugsgröße
2023: 17.823,75 EUR
teilweiser ErwerbsminderungIndividuell: 9,72-fache der monatlichen Bezugsgröße, multipliziert mit den „Rentenpunkten“
des Kalenderjahres mit den höchsten „Rentenpunkten“ aus den letzten
15 Kalenderjahren vor Eintritt der ErwerbsminderungMindestens: 6/8 der 14-fachen monatlichen Bezugsgröße
2023: 35.647,50 EUR

Hinweis: Die Regularien hinsichtlich der Hinzuverdienstmöglichkeiten von Hinterbliebenenrentnern (Waisen-, Witwen-,
Witwerrenten) bleiben unverändert.

Änderung im Krankenkassenwahlrecht

Arbeitnehmer können die Krankenkasse wechseln, indem sie einfach eine andere Krankenkasse wählen. Diese neue Krankenkasse informiert die bisherige Krankenkasse über den Wechsel.

Bei Ende der Mitgliedschaft kraft Gesetzes (z. B. Arbeitgeberwechsel) kann bis zu zwei Wochen nach Aufnahme der versicherungspflichtigen Beschäftigung eine neue Krankenkasse gewählt werden. Einer Kündigung bedarf es in diesen Fällen nicht.

Bei bestehender Beschäftigung ist der Krankenkassenwechsel mit einer Kündigungsfrist von zwei Kalendermonaten möglich. Wählt ein Arbeitnehmer im fortlaufenden Beschäftigungsverhältnis die Krankenkasse am Ende eines Monats, besteht bislang die Gefahr, dass sich der Kassenwechsel verzögert. Im elektronischen Meldeverfahren zwischen den beteiligten Krankenkassen wird die Kündigungsfrist derzeit ausgehend von dem Tag berechnet, an dem die neue Krankenkasse die bisherige Krankenkasse über die Kündigung informiert. Bei einem Kassenwechsel im Kündigungsverfahren wird bei Wahlerklärungen, die ab dem 1. Juli 2023 bei der neuen Krankenkasse eingehen, für die Berechnung der Kündigungsfrist der Tag des Eingangs der Wahlerklärung herangezogen. Wann die neu gewählte Krankenkasse die bisherige Krankenkasse informiert, ist dann für den Verlauf der Kündigungsfrist nicht mehr von Bedeutung.

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