Steuerrecht - 11.10.2021

Reform der Mitarbeiterkapitalbeteiligung

Seit dem 1. Juli 2021 werden Mitarbeiterkapitalbeteiligungen stärker als bisher steuerlich gefördert. Einerseits können die Einkünfte aus der Übertragung von Vermögensbeteiligungen am Unternehmen des Arbeitgebers unter bestimmten Voraussetzungen zunächst unversteuert bleiben. Bei der Besteuerung kann andererseits ein deutlich höherer Freibetrag in Anspruch genommen werden. Wir geben einen Überblick über die Neuregelungen.

Besteuerungsaufschub für Vermögensbeteiligungen

Mit dem Inkrafttreten des Fondsstandortgesetzes im Sommer wurde für Arbeitnehmer von sog. Start-ups, Kleinstunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen eine neue Sondervorschrift in § 19a Einkommensteuergesetz (EStG) geschaffen. Werden einem Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn Vermögensbeteiligungen unentgeltlich oder verbilligt übertragen, so muss der Vorteil (zunächst noch) nicht der Besteuerung als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit unterworfen werden. Die Neuregelung ist anzuwenden auf Vermögensbeteiligungen, die nach dem 30. Juni 2021 übertragen werden.

Die vorläufige Nichtbesteuerung kann im Lohnsteuerabzugsverfahren nur mit Zustimmung des Arbeitnehmers angewendet werden. Eine Nachholung der vorläufigen Nichtbesteuerung im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer ist ausgeschlossen.

Anforderungen an das Unternehmen

Das Unternehmen, an dem sich der Arbeitnehmer beteiligt, darf im Zeitpunkt der Übertragung der Vermögensbeteiligung oder im vorangegangenen Jahr gewisse Schwellenwerte nicht überschreiten: maximal 250 Arbeitnehmer und einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. Euro oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 43 Mio. Euro. Außerdem darf die Gründung des Unternehmens nicht mehr als zwölf Jahre zurückliegen. Steuerbegünstigte Beteiligungen für die Arbeitnehmer können z. B. sein: Aktien, Wandelschuldverschreibungen, Genossenschaftsanteile, GmbH-Anteile oder Genussrechte.

Zeitpunkt der Versteuerung

Die (spätere) Besteuerung als sonstiger Bezug erfolgt in dem Jahr, in dem

  • die Vermögensbeteiligung ganz oder teilweise entgeltlich (z. B. Verkauf) oder unentgeltlich (z. B. bei einer Einlage in ein Betriebsvermögen) übertragen wird,
  • seit der Übertragung der Vermögensbeteiligung zwölf Jahre vergangen sind oder
  • das Dienstverhältnis zum bisherigen Arbeitgeber beendet wird.

Beendet der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis, setzt die Besteuerung der Einkünfte ein. Der Arbeitgeber könnte die Lohnsteuer dann aber auch übernehmen; dies gilt entsprechend für die Annexsteuern (Kirchensteuer und ggf. Solidaritätszuschlag). Dabei werden die übernommenen Steuerabzugsbeträge wiederum nicht wie ansonsten bei einer sog. Nettolohnvereinbarung als zusätzlicher geldwerter Vorteil angesehen. Diese Regelung soll einen zusätzlichen Anreiz für Kapitalbeteiligungen darstellen.

Wert der Vermögensbeteiligung

Die Anschaffungskosten der Vermögensbeteiligung werden mit dem sog. gemeinen Wert zum Zeitpunkt der Übertragung bewertet. Gemeiner Wert ist grundsätzlich der Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Der zwar bewertete, aber noch nicht besteuerte gemeine Wert ist im Lohnkonto aufzuzeichnen.

Anrufungsauskunft beim Betriebsstättenfinanzamt

Das Betriebsstättenfinanzamt hat nach der Übertragung einer Vermögensbeteiligung im Rahmen einer Anrufungsauskunft (gem. § 42e EStG) den vom Arbeitgeber zunächst nicht besteuerten Vorteil zu bestätigen. Die Anrufungsauskunft ist kostenlos.

Beispiel Start-up

Sachverhalt:

Ein Start-up mit einem Jahresumsatz von fünf Mio. Euro überträgt einem seiner Mitarbeiter am 1. Januar 2022 unentgeltlich Aktien.

Beurteilung:

Der geldwerte Vorteil der Aktienüberlassung muss (unabhängig von der Höhe des Vorteils) im Zeitpunkt der Übertragung noch nicht besteuert werden, Beiträge zur Sozialversicherung sind aber abzuführen.

Praxistipp

Hinsichtlich der Sozialversicherung gilt der Steueraufschub gem. § 19a EStG nach neu aufgenommener Bestimmung (in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SvEV – Sozialversicherungsentgeltverordnung) ausdrücklich nicht. Dies führt zu einer zeitlich unterschiedlichen Erfassung des geldwerten Vorteils von Vermögensbeteiligungen: hinsichtlich der Sozialversicherung im Hingabezeitpunkt bzw. hinsichtlich der Steuer im Veräußerungszeitpunkt.

Steuerfreibetrag für Mitarbeiterbeteiligungen

Für die Besteuerung des geldwerten Vorteils aus Mitarbeiterkapitalbeteiligungen sieht § 3 Nr. 39 EStG seit dem 1. Juli 2021 einen Freibetrag in Höhe von 1.440 EUR vor; zuvor lag dieser Freibetrag bei 360 EUR.

Die Beteiligung muss Arbeitnehmern im Rahmen eines gegenwärtigen Dienstverhältnisses unentgeltlich oder verbilligt überlassen werden. Die Möglichkeit zur Beteiligung muss grundsätzlich allen Arbeitnehmern des Unternehmens offenstehen, die im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Angebots durch den Arbeitgeber ein Jahr oder länger ununterbrochen in einem gegenwärtigen Dienstverhältnis zum Unternehmen stehen.

Zusätzlichkeit wird nicht verlangt

Die Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 39 EStG verlangt keine Zusätzlichkeit. Sie ist also auch nutzbar, wenn eine Vermögensbeteiligung im Rahmen einer Entgeltumwandlung überlassen wird und eine sofortige Besteuerung in Betracht kommt. Allerdings: Im Falle einer Entgeltumwandlung besteht Beitragspflicht zur Sozialversicherung.

Beispiel Aktiengesellschaft

Sachverhalt:

Eine Aktiengesellschaft überlässt ihren Mitarbeitern am 1. Januar 2022 jeweils 20 Aktien zum Börsenkurs von 50 EUR zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn, es kommt zur sofortigen Versteuerung.

Beurteilung:

Der geldwerte Vorteil im Zeitpunkt der Übertragung beträgt 1.000 EUR. Unterstellt alle weiteren Voraussetzungen sind erfüllt, bleibt der Vorteil steuerfrei, da der Freibetrag nicht  überschritten wird. Auch Sozialversicherungsbeiträge fallen keine an.

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