Arbeitsrecht - 11.10.2021

Wenn Job-Bewerber einfach verschwinden

Eigentlich hat man alles richtig gemacht: Nach einem erfolgreichen Bewerbungsverfahren wurde schnell ein Arbeitsvertrag unterzeichnet. Umso ärgerlicher, wenn schon vor dem ersten Arbeitstag eine Kündigung eingeht oder wenn der neue Mitarbeiter zum ersten Arbeitstag gar nicht erst erscheint („Ghosting“ im Job). Leider ist die Rechtslage für Arbeitgeber nicht besonders günstig.

Kündigung vor dem ersten Arbeitstag und in der Probezeit

Ein Vertragsverhältnis zu kündigen, bevor es überhaupt begonnen hat, klingt zwar ein wenig seltsam, es passiert aber immer häufiger. Die schlechte Nachricht lautet: Unter formalrechtlichen Gesichtspunkten ist eine Kündigung durch den Arbeitnehmer durchaus möglich, bevor er überhaupt angefangen hat zu arbeiten. Dafür kann es, neben attraktiveren Jobangeboten, durchaus auch nachvollziehbare Gründe geben, z. B. wenn der neue Mitarbeiter aus dringenden familiären Gründen die Stelle nicht antreten kann.

Arbeitgeber können ebenfalls noch vor Arbeitsantritt kündigen, wenn ein wichtiger Grund diesen Schritt rechtfertigt. So wird z. B. von hochwassergeschädigten Unternehmern niemand erwarten können, dass für neue Mitarbeiter eine Beschäftigungsmöglichkeit besteht.

Wenn jedoch eine Kündigung vor Arbeitsaufnahme ausgesprochen werden soll, ist auch unter diesen besonderen Umständen sowohl die Schriftform gem. § 623 BGB zu beachten als auch die vertragliche oder gesetzliche Kündigungsfrist einzuhalten. Der Betriebsrat wäre in diesem Fall jedoch nicht anzuhören. Dagegen ist ein Rücktritt vom unterschriebenen Arbeitsvertrag oder dessen Widerruf nur in ganz seltenen Ausnahmefällen zulässig, beispielsweise im Falle einer Täuschung. Wer das Arbeitsverhältnis vorzeitig beendigen will, muss kündigen.

Vereinbarung einer Probezeit

Ist im Arbeitsvertrag eine Probezeit vereinbart, gilt diese natürlich für beide Seiten. Daraus ergibt sich, dass jeder Mitarbeiter nach oder auch schon während des ersten Arbeitstages kündigen kann, nachdem er entweder zum vereinbarten Arbeitsbeginn erschienen ist oder schon für den ersten Arbeitstag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt. Dieses Verhalten wäre zwar nicht besonders freundlich, rechtlich aber nicht zu beanstanden.

Auch bei einer Kündigung in der Probezeit ist beiderseits die vertraglich vereinbarte Frist einzuhalten, in aller Regel zwei Wochen. Wenn jedoch ein Mitarbeiter schon am ersten Tag der Probezeit kündigt, wird es wenig Sinn ergeben, wenn der Arbeitgeber auf die Einhaltung der Kündigungsfrist besteht. Stattdessen sollte in diesem Fall schnellstmöglich ein Aufhebungsvertrag geschlossen und das sofortige Ende des Arbeitsverhältnisses fixiert werden. Auf diese Weise kann der Arbeitgeber weitere Zahlungsverpflichtungen vermeiden.

Nichterscheinen am ersten Tag und Schadensersatz

Der Mitarbeiter erscheint am ersten Tag nicht

Für Arbeitgeber ist es besonders ärgerlich, wenn Neulinge am ersten Tag nicht zur Arbeit erscheinen. Denn in diesem Fall fehlt ihnen nicht nur die Arbeitskraft, sondern es kommt auch noch Mehrarbeit auf sie zu. Sofern keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingeht, kann der Arbeitgeber eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit sofortiger Wirkung aussprechen. Ein Vergütungsanspruch besteht in diesem Fall nicht.

Praxistipp

Wenn der Mitarbeiter gar nicht erst zur Arbeit erscheint, kann der Arbeitgeber – anders als bei einer Kündigung in der Probezeit – überlegen, ob er Schadensersatzansprüche geltend macht.

Schadensersatz fordern!

Gegen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Mitarbeiter können Arbeitgeber unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht viel ausrichten, auch dann nicht, wenn die Kündigung unmittelbar nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen wird.

Zwar besteht, insbesondere nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, durchaus die Möglichkeit, die Krankschreibung des Mitarbeiters wirksam anzugreifen, wenn der Verdacht besteht, dass die Erkrankung vorgeschoben ist (BAG, Urteil vom 8. September 2021, 5 AZR 149/21). Dazu müssten tatsächliche Umstände dargelegt und bewiesen werden, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Das Problem ist nur: Diese Auseinandersetzung bringt den Arbeitgebern nur wenig, denn innerhalb der ersten vier Wochen des Arbeitsverhältnisses müssen sie ohnehin noch keine Entgeltfortzahlung leisten.

Anders verhält es sich, wenn neu eingestellte Arbeitnehmer schon am ersten Tag unentschuldigt der Arbeit fernbleiben. In diesem Fall, wie auch bei nachgewiesenermaßen vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit, haben Arbeitgeber die Möglichkeit, Schadensersatz geltend zu machen. Allerdings müssen sie ihrerseits zunächst das Arbeitsverhältnis fristlos kündigen. Danach können sie sämtliche Kosten einfordern, die bei vereinbarungsgemäßem Stellenantritt nicht angefallen wären, wie z. B. Kosten für eine neue Stellenanzeige oder für Fahrtkosten zum Vorstellungsgespräch, die dem Bewerber erstattet wurden. Diese Ansprüche bestehen auch, wenn von Arbeitnehmerseite die Kündigungsfrist nicht eingehalten wird.

Schwieriger, aber nicht ausgeschlossen, ist es dagegen, weiteren Schadensersatz durchzusetzen, z. B. für Mehrkosten an Gehalt, das einer Ersatzkraft gezahlt werden muss, die nicht zu den Bedingungen des ursprünglich vorgesehenen Mitarbeiters anfangen wollte. Hier kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. In jedem Fall wären Ersatzansprüche auf den Zeitraum der einzuhaltenden Kündigungsfrist zeitlich begrenzt. Bei einer vereinbarten Probezeit wären das maximal die Mehrkosten für zwei Wochen.

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