Die nächste Ausgabe erscheint am 01.07.2024.

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Was Pandemie und Krieg mit uns machen
Shutdown im Kopf

Clever girl thinking with a machine head illustration

Krieg in Europa. Er trifft uns in einer Zeit, in der unsere psychische Gesundheit durch zwei Jahre Corona-Pandemie ohnehin geschwächt ist. Klar ist: Andauernde Sorgen erschöpfen die Psyche und scha­den damit unserer Gesundheit. Aber was kann man dagegen tun?

„Eigentlich ist unser Angstsystem so ausgelegt, dass wir nur auf kurzfristige Bedrohung reagieren – entweder greifen wir an oder wir laufen weg”, erklärt Ingo Zimmermann (Diplom-Psychologe) von der Medical Contact AG. Der Experte betreut seit vielen Jahren medizinische Coaching­-Programme für Versicherte der BKK W&F und erläutert: „Angst an sich ist völlig normal und der Körper kann damit umgehen – wenn sie denn auch wieder vorbeigeht.“ Für Pandemie und Krieg als länger anhaltende Situationen stehen diese Möglichkeiten aber nicht zur Auswahl. „Erst wenn Angst länger anhält, kann sie tatsächlich krank machen.” Biologisch gesehen wird in diesem Fall zu viel Cortisol ausgeschüttet, ein Stresshormon. Dieses schwächt das Immunsystem für Körper und Psyche und ist daher ungesund.

Diplom Psychologe Ingo Zimmermann
Diplom Psychologe
Ingo Zimmermann

Abstand suchen

Um dem vorzubeugen, empfiehlt Zimmermann den individuellen Abstand zu Bedrohungsszenarien unter die Lupe zu nehmen. Sich wie im Fall der Pandemie monatelang von Pressekonferenz zu Pressekonferenz zu hangeln und an Wochenenden die Köpfe heißzureden, wie die immer neuen Pandemie-Vorschriften familiär am schonendsten umzusetzen sind, führt langfristig zum psychischen Zusammenbruch. Im Hinblick auf den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine gilt dies analog für die entsprechende Berichterstattung, gerade in den späten Abendstunden. Ein kleiner Baustein sei daher beispielsweise, direkt vor dem Schlafengehen generell keine Nachrichten mehr anzusehen. Auch eine noch so spannende politische Talkshow stellt dabei keine Ausnahme dar. Stattdessen sollte man mindestens eine Stunde vorher etwas Angenehmes tun – etwa Musik hören.

Auch Kinder und Jugendliche brauchen Aufmerksamkeit

Und: Spätestens, wenn Kinder ein eigenes Smartphone besitzen, trifft das Problem auch auf diese Zielgruppe zu. Eltern sollten daher die Kontrolle über deren Mediennutzung nicht verlieren, gerade in Anbetracht der aktuellen Weltlage und trotz der vielen Entbehrungen während der Pandemie. Stattdessen gilt es, die Geschehnisse zu erklären und Ängste zu nehmen – Kinder und Jugendliche sind mit der Massivität der für Erwachsene gemachten Berichterstattung in den Medien völlig überfordert. Zimmermann: „Es ist daher wichtig, dass wir unseren Alltag nicht vollständig von diesen schrecklichen Ereignissen überschwemmen lassen, auch wenn wir alle verständlicherweise gerade sehr besorgt und ernüchtert sind. Kinder und Jugendliche brauchen gerade dann zuversichtliche Eltern, die den Alltag mit ihnen erleben und auch gedanklich und emotional bei den Kindern und Jugendlichen anwesend sind. Und generell gilt: Je kleiner die Kinder sind, umso weniger sollten sie mitbekommen.“

Resultieren Ängste aus der immer größer werdenden Müdigkeit im Homeoffice, rät Zimmermann zu mehr Abwechslung im Alltag. So lässt sich das von Forschern inzwischen sogar mit dem neuen Begriff „Zoom Fatigue“ umschriebene Phänomen eingrenzen, also die „Erschöpfung durch Videokonferenz“. Denn wer schon allein aufgrund einer technischen Verzögerung auf die Antwort seines Gegenübers warten muss, erlebt Zimmermann zufolge eine Irritation, die das Gehirn zunächst verarbeiten muss. Außerdem bekommt der Mensch lediglich einen Bruchteil der gewohnten nonverbalen Kommunikation mitgeliefert.

Abwechslung durch Bewegung, Auszeiten und den Verzicht auf die Einnahme von Mahlzeiten am Arbeitsplatz sorgen dafür, dass andere Teile des Gehirns benutzt werden und man sich frischer und fitter fühlt.

Die eigene Resilienz trainieren

Den Kopf in den Sand zu stecken, bringt also niemanden weiter. Und eine wichtige individuelle Kompetenz im Umgang mit Stress lässt sich sogar trainieren: die Resilienz. Sie bezeichnet die Fähigkeit, bewusst mit den eigenen Kräften haushalten zu können und diese stetig zu erneuern. Das Erlernen von Resilienz-Strategien ist mittlerweile ein fester Bestandteil von Gesundheitsangeboten mit Zuschuss durch die BKK W&F (s. Tipp). Trotzdem ist es natürlich absolut nachvollziehbar, wenn Menschen Ängste entwickeln.

Zimmermann: „Vielen Menschen hilft, ins Handeln zu kommen – beispielsweise durch unterstützende Tätigkeiten für besonders hilfebedürftige Menschen wie Ältere, Kranke oder, im Fall des Ukraine-Kriegs, über persönliches Engagement in der Flüchtlingshilfe.“

RESILIENZ

ist die Fähigkeit, bewusst mit den eigenen Kräften haushalten zu können und diese stetig zu erneuern.

Tipp: Gesundheitskurse

Für zertifizierte Angebote aus unserer Kursdatenbank erstatten wir bis zu zwei Mal im Jahr Kosten in Höhe von insgesamt 500 Euro. Kurse aus dem Bereich Resilienz finden sich im Themenfeld Entspannung.

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