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2. Teil der Serie Epigenetik von Dr. Peter Spork
Corona - warum trifft es manche besonders hart?

Corona warum trifft es manche besonders hart

Im Angesicht des neuen Corona-Virus sind alle Menschen gleich. Das sollte man zumindest meinen. Doch die Realität sieht anders aus. Selbst Menschen gleichen Geschlechts und Alters mit vergleichbaren Vorerkrankungen und ähnlichem Körpergewicht leiden mitunter an einer Covid-19-Infektion sehr unterschiedlich stark. Manche sterben oder kämpfen über Monate mit schweren Folgeschäden. Andere zeigen trotz nachgewiesener Infektion keine oder nur milde Symptome. Was aber ist das Geheimnis hinter den unterschiedlichen Covid-19-Verläufen?

Das war bis vor kurzem unbekannt, doch jetzt häufen sich die Hinweise, dass die Genetik und die Epigenetik gleichermaßen eine Rolle spielen. Im einen Fall sind es bestimmte Genvarianten, die dafür sorgen, dass die Menschen etwas unterschiedliche Biomoleküle erzeugen und dadurch widerstandsfähiger oder anfälliger sind als andere. Man könnte auch sagen, die Hardware der Zellen unterscheidet sich. Im anderen Fall sind es Unterschiede bei den epigenetischen Strukturen. Diese schenken unseren Zellen ein individuelles Programm. Kleine biochemische Anhängsel, die an oder neben der DNA einer Zelle sitzen, entscheiden wie Dimmer oder Schalter darüber, welche ihrer Gene die Zelle besonders gut benutzen kann und welche nicht. Das verändert nicht die Art der Biomoleküle, sondern ihre Häufigkeit und Zusammensetzung in und außerhalb der Zelle. Der Text der DNA wird durch die Epigenetik interpretiert und in Wechselwirkung mit der Umwelt verschieden stark ausgelesen.

Spurensuche in Spanien und Italien

Wie wichtig der Text der Gene zu sein scheint, also die Genetik, folgt besonders eindrucksvoll aus den Analysen eines großen europäischen Teams von Genetikerinnen und Genetikern. Die „Severe Covid-19 GWAS Group“ fahndete in Patientendaten aus Spanien und Italien nach Varianten im Erbgutmolekül DNA, die bei solchen Menschen besonders häufig sind, die schwer an Covid-19 erkrankten. Rasch wurde das Team fündig: Eine Gruppe von Genen auf dem Chromosom Nummer drei und ein Teil der DNA, der über unsere Blutgruppen mitentscheidet, sind bei schwer erkrankten Menschen auffällig häufig verändert. Noch weiß zwar niemand, ob und wie die beteiligten Gene die Krankheit direkt beeinflussen. Eines aber ist sicher: Die Ergebnisse liefern aussichtsreiche Ansatzpunkte für weitere Forschungen. Gut möglich, dass zukünftige Corona-VirusTherapien und Diagnosemethoden an der nun eingekreisten molekularbiologischen Hardware ansetzen werden. In einem nächsten Schritt möchten die Forscherinnen und Forscher nun herausfinden, wie die neu entdeckten CoronaRisiko Genvarianten die Menschen biologisch beeinflussen. Sie fahnden fieberhaft nach neuen Methoden, um besonders gefährdete Menschen und lebensbedrohliche Verläufe frühzeitig zu erkennen und besser zu behandeln.

Corona-Viren manipulieren die Epigenetik ihrer Wirtszellen

Schon im Jahr 2017 – also lange vor dem Auftreten von SARS-CoV-2 – wiesen die US-amerikanischen Epidemiologen darauf hin, dass Corona-Viren wie SARS-CoV-1 die Epigenetik ihrer Wirtszellen verändern. Auf diesem Weg scheinen sie befallene Zellen so umzuprogrammieren, dass diese besonders viele neue Viren erzeugen. Dies lässt die Genetik der Zellen unberührt, verändert aber zutiefst die Menge und Art der Gene, die gerade aktiv sind. Damit manipuliert das Virus die Identität der von ihm befallenen Zellen. Gelingt es Forschenden eines Tages, diese epigenetischen Prozesse gezielt zu unterbinden, hätten sie ein potenziell hochwirksames Gegenmittel gegen die Viren in Händen. Vor allem aber erklärt die Epigenetik zum Teil, warum manche Menschen sehr viel ernsthafter erkranken als andere. Verantwortlich scheinen nebengenetische Unterschiede des Immunsystems der Infizierten zu sein – aber auch die Epigenetik jener Zellen, über die die Viren in den Körper eindringen. Doch nicht immer ist ein besonders aktives Immunsystem gut für Corona-Patientinnen und -Patienten. Manchmal kommt es als Reaktion auf den Krankheitserreger zu einer übermäßigen Ausschüttung von Zytokinen genannten Botenstoffen, die Entzündungsreaktionen anstoßen. Startet ein solcher Zytokinsturm, leiden eine Menge innerer Organe, und Covid-19 nimmt einen gefährlichen Verlauf. Das Immunsystem der Patientinnen und Patienten schießt dann sozusagen über sein Ziel hinaus.

“Vor allem aber erklärt die Epigenetik zum Teil, warum manche Menschen sehr viel ernsthafter erkranken als andere.”

Dr. Peter Spork

Nicht zuletzt um diese fatale Überreaktion zu bekämpfen, erhalten Covid-19-Patientinnen und -Patienten, die zusätzlichen Sauerstoff verabreicht bekommen oder künstlich beatmet werden müssen, häufig das Medikament Dexamethason – so zum Beispiel auch der ehemalige US-Präsident Donald Trump. Es simuliert eine allgemeine Stressreaktion, unterdrückt so das Immunsystem und dämpft damit auch den Sturm der Entzündungsboten. Nun gibt es schlüssige Indizien, dass bei Menschen mit einem hohen Risiko für bedrohliche Covid-19-Verläufe die epigenetische Regulation solcher Gene in eine ungünstige Richtung verändert ist, die die Ausschüttung der Zytokine überwachen. Das hätte zur Folge, dass die einen sehr viel eher zum Zytokinsturm neigen als die anderen.

Weitere Studien weisen darauf hin, dass die Epigenetik eine wichtige Rolle für den Verlauf einer Corona-Virusinfektion spielt. So verändert sich durch die Epigenetik die Zahl der Andockstellen für das Virus und damit die Wahrscheinlichkeit für eine Ansteckung. Je mehr Andockstellen die Zellen besitzen, desto mehr Viren dringen theoretisch ein und desto ernsthafter dürfte die Krankheit anschließend verlaufen. Von dieser Erkenntnis erhoff t sich die Wissenschaft neue Ansätze für die Diagnose, Behandlung und Verlaufsprognose von Covid-19.

Dieser Beitrag erschien in einer ausführlichen Fassung zuerst im RiffReporter Online-Magazin Erbe & Umwelt: www.riffreporter.de/de/magazine/genetik-umwelt.

Hinweis: Bitte beachten Sie, dass dieser Inhalt zwischenzeitlich veraltet sein könnte.

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