Die nächste Ausgabe erscheint am 01.07.2025.

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Das Magazin der BKK WIRTSCHAFT & FINANZEN

Finanzierung der GKV – Teil 2: Zuweisungen

Geld Medikamente und Stethoskop

1. Alle Krankenversicherungsbeiträge gehen direkt in den Gesundheitsfonds

Arbeitgeber führen alle Sozialversicherungsbeiträge (Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung) gesammelt an die jeweilige Krankenkasse als Einzugsstelle ab. Während die Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge unmittelbar an diese Versicherungsträger abgeführt werden, werden die eingenommenen Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherung – Zusatzbeitrag inklusive – vollständig an den 2009 als Sondervermögen eingerichteten Gesundheitsfonds beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) weiter.

2. Aus Beiträgen werden Zuweisungen

Aus den Einnahmen des Gesundheitsfonds erhalten die Krankenkassen Zuweisungen zur Deckung ihrer Ausgaben. Diese werden nach den sehr komplexen Kriterien des sogenannten Risikostrukturausgleichs berechnet.

Der Grundgedanke ist dabei, die Ungleichverteilung von Ausgaberisiken wie Alter, Geschlecht, Wohnort und Krankheitslast (Morbidität) zwischen den Krankenkassen auszugleichen. Daraus resultiert die heute oft verwendete Bezeichnung „morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich“ oder „Morbi-RSA“. Die Ermittlung wird für jedes Jahr separat durchgeführt. Grundlage sind dabei immer die erwarteten Folgekosten.

Auf die Eigenheiten der ebenfalls vom Gesundheitsfonds ausgezahlten Mittel aus dem Zusatzbeitrag verweisen wir an dieser Stelle nochmals auf Teil 1 der Serie.

3. Krankheiten führen zu höheren Zuweisungen

Die Krankheitslast der Versicherten einer Krankenkasse wird anhand von Abrechnungsdaten, Diagnosen und verordneten Arzneimitteln ermittelt. Die Berechnung erfolgt vereinfacht so:

  • Jede Krankenkasse erhält für jeden ihrer Versicherten eine einheitliche Grundpauschale in Höhe der durchschnittlichen erwarteten Ausgaben.
  • Die Grundpauschale wird durch Zuschläge nach Alter, Geschlecht, das Gesundheitskostenniveau der Wohnregion und das individuelle Krankheitsrisiko ergänzt. Die Zuschläge sollen dabei die (erhöhten) Ausgaben widerspiegeln, die im Durchschnitt aufgrund eines Versichertenmerkmals, wie z.B. einer Erkrankung, im Folgejahr verursacht werden. Durch das Abstellen auf den Durchschnitt soll sichergestellt werden, dass die Zuschläge den erwarteten Versorgungsbedarf in etwa ausgleichen, die Krankenkassen jedoch weiterhin einen Anreiz zum wirtschaftlichen Handeln haben.
  • Daneben erhalten die Krankenkassen identische Zuweisungen für die deutlich kleineren Haushaltsposten Verwaltungsausgaben und Satzungsleistungen sowie bestimmte Vorsorgeleistungen

4. Zuweisungen werden als Abschläge ausgezahlt

Die Zuweisungen werden in einem monatlichen Abschlagsverfahren an die Krankenkassen ausgezahlt. Die erste Mitteilung zur voraussichtlichen Höhe erhalten die Krankenkassen dabei im November des Vorjahres als Grundlage ihrer Haushaltsplanung. Unterjährige Anpassungen sorgen im Anschluss dafür, dass vor allem eine Veränderung der Versichertenzahl über höhere aber auch geringere Zuweisungen in Summe berücksichtigt wird. Mit einem Jahresschlussausgleich am Ende des Folgejahres werden die Zuweisungen final festgesetzt, wobei auch ein weiteres Jahr später noch kleinere Korrekturen möglich sind.

Beispiel

Herausforderungen Finanzplanung Beispiel 2022

Für das Jahr 2022 wird eine Summe an Zuweisungen im November 2021 mitgeteilt. Die Zuweisungen für das Jahr 2022 verändern sich im Anschluss bereits unterjährig durch veränderte Versichertenzahlen. Mit dem Jahresschlussausgleich im November 2023 werden die Zahlen auch auf die Krankheitslast hin angepasst – richtig abgeschlossen wird das Jahr 2022 erst mit der Korrektur des Schlussausgleichs im November 2024.

Erst dann liegen dem BAS alle Krankheitsdaten aller Versicherten aller Krankenkassen abschließend vor, so dass eine finale Verteilung der Mittel möglich ist.

5. Noch mehr Krankheiten sind (zu) auffällig

Im diesem komplexen Finanzausgleich sind Diagnosen entscheidend für die Zuweisungen. Mit einem Gesetz wurde zwischenzeitlich eine als Manipulationsbremse bezeichnete Regelung eingeführt, um auffälligen Anstiegen bei bestimmten Diagnosen entgegenzuwirken.  Ziel dieser Beeinflussung war es, über mehr relevante Diagnosen höhere Zuweisungen zu erhalten. Die Bremse stoppt zumindest vorübergehend die Zuweisungen für Diagnosen, deren Fallzahlen auffällig stark ansteigen.

6. Der Konjunkturabschwung wirkt sich auch die Reserven des Gesundheitsfonds aus

Der Gesundheitsfonds hat ebenso die Krankenkassen mindestens 20 Prozent der durchschnittlich auf den Monat entfallenen Ausgaben als Liquiditätsreserve vorzuhalten. Auch der Gesundheitsfonds leitet mittlerweile unter stetig sinkenden Rücklagen: zum 15. Januar 2025 belief sich die Rücklage rund 5,7 Mrd. Euro, ein Jahr zuvor wurden noch von knapp 10 Mrd. Euro ausgewiesen.

„Für 2025 Jahr erwarten die Experten des GKV-Schätzerkreises zudem eine gewaltige Finanzierungslücke von knapp 14 Mrd. Euro, da die erwarteten Ausgaben der Krankenkassen deutlich höher ausfallen als die erwarteten Einnahmen. Diese Lücke muss durch höhere Zusatzbeiträge der Krankenkassen geschlossen werden und kann sich noch weiter erhöhen, wenn die Schätzungen sich im Nachhinein als zu niedrig erweisen – so wie im vergangenen Jahr. Hier wurden die Ausgaben um mittlerweile mehr als 6 Mrd. Euro zu niedrig angesetzt, eine gigantische Abweichung.

Fazit: Verlässliche Finanzplanung war gestern

Eine verlässliche Finanzplanung einer gesetzlichen Krankenkasse war unter den komplexen Gegebenheiten trotzdem einigermaßen möglich, solange das System frei von großen äußeren Faktoren blieb. In der Corona-Pandemie hat sich die Inanspruchnahme von Leistungen massiv in ältere Jahrgänge verschoben. Dies hat sich massiv auf die Zuschläge im RSA ausgewirkt. Die Nachwirkungen spüren insbesondere Krankenkassen mit jüngeren Versicherten aufgrund der Abhängigkeiten des RSA zu den Vorjahren unabhängig von der tatsächlichen Krankheitslast auch heute noch deutlich. Hinzu kommt: jeder Euro, um den sich der einst so renommierte GKV-Schätzerkreis zu Lasten der Krankenkassen verrechnet, muss in kommenden Schlussausgleiches nachträglich von den Krankenkassen ausgeglichen werden. Wie das mit faktisch nicht mehr vorhandenen Reserven funktionieren wird, ist eine der wesentlichen Aufgaben der nächsten Bundesregierung.  

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