Die nächste Ausgabe erscheint am 01.04.2025.

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Das Magazin der BKK WIRTSCHAFT & FINANZEN

Im Fokus: Selbstzahlerleistungen

Arzt nimmt Bargeld entgegen

Für den Report 2024 wurden im Auftrag des Medizinischen Dienstes Bund (MD) mehr als 2.000 Versicherte im Alter zwischen 18 und 80 Jahren von einem Marktforschungsinstitut befragt. Die repräsentative Befragung hat Prof. Dr. Jonas Schreyögg, Lehrstuhl für Management im Gesundheitswesen, Universität Hamburg, wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. „Unsere Studie belegt, dass gesetzlich Versicherte mindestens 2,4 Milliarden Euro für IGeL-Angebote ausgeben“, sagt Schreyögg. „Besorgniserregend ist, dass die meisten Patientinnen und Patienten viel zu wenig Wissen haben, um eine informierte Entscheidung für oder gegen eine IGeL treffen zu können.“ In der Befragung gab nur jeder 4. Versicherte (26%) an, gut informiert zu sein. 2 von 3 Befragten gingen zudem von der falschen Annahme aus, dass die Selbstzahlerleistungen medizinisch notwendige Leistungen seien.

Breites Spektrum

Der MD bewertet in Monitor aktuell 56 Leistungen – davon 30 entweder mit „tendenziell negativ“ oder „negativ“. 23 haben das Ergebnis „unklar“ − das heißt für ihren Nutzen gibt es meistens keine ausreichenden Belege der Wirksamkeit. Mit „tendenziell positiv“ schneiden 3 Selbstzahlerleistungen ab, keine Leistung wurde mit „positiv“ bewertet.

Auf Platz 1 der Top-10-Liste liegen der Ultraschall der Eierstöcke und der Gebärmutter zur Krebsfrüherkennung. Beides sind Leistungen, die vom IGeL Monitor mit „negativ“ und „tendenziell negativ“ bewertet werden. Bei diesen Untersuchungen kann es laut MD zu vielen falsch-positiven Ergebnissen und dadurch zu unnötigen weiteren Untersuchungen und Eingriffen kommen, die den Patientinnen schaden können. Gleichzeitig ist nicht belegt, dass das Risiko an Eierstockkrebs zu sterben, damit verringert werden kann.

Bewertungsgrundlagen und Kritik

Das Wissenschaftsteam des IGeL-Monitors bewertet seit über zehn Jahren den Nutzen und Schaden von IGeL. Es wertet bei der Analyse des Nutzen- und Schadenpotenzials wissenschaftliche Studien aus und gleicht die Ergebnisse auch mit internationalen Leitlinien ab.

Auf besonders deutliche Kritik stößt der IGeL-Monitor aktuell bei der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU). Insbesondere die „tendenziell negative“ Bewertung des PSA-Tests durch den IGeL-Monitor kritisierte Generalsekretär Prof. Dr. Maximilian Burger unmittelbar nach der Veröffentlichung als veraltet.

Zu einer möglichen Einführung des prostata-spezifische Antigentests (PSA) als generelle Leistung der Früherkennung äußerte sich Noch-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im September 2023 gegenüber dem ZDF in der Tat optimistischer: „Die wissenschaftliche Grundlage für ein Prostatascreening gerade mit dem PSA-Marker ist sehr stark und überwältigend. Und daher könnte ich mir gut vorstellen, dass sich da jetzt etwas bewegt.“ Rechtlich ist die Situation aber bis heute unverändert.

Denn auch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) kommt in seiner letzten Auswertung der weltweiten Studienlage aus 2020 zu dem Ergebnis, dass „der Nutzen eines generellen PSA-Screenings für Männer ohne Verdacht auf Prostatakrebs kann den dadurch entstehenden Schaden nicht aufwiegen“ kann. Die Begründung: „Zwar nutzt eine Reihenuntersuchung mittels PSA-Test einigen Männern, indem ihnen eine metastasierte Krebserkrankung erspart bleibt oder diese nach hinten verschoben wird. Zugleich müssen aber deutlich mehr Männer damit rechnen, wegen Überdiagnosen und damit einhergehender Übertherapie dauerhaft inkontinent oder impotent zu werden – und das in relativ jungen Lebensjahren.“

Die Bestimmung des prostataspezifischen Antigens (PSA) ist daher nach Beschluss des Gemeinsamen Bundesschusses (G-BA) für gesetzlich Versicherte weiterhin auf die Verlaufskontrolle bei bereits behandelten Versicherten oder zur Abklärung eines auffälligen Tastbefundes der Prostata beschränkt. „In diesen Fällen ist der Test über die elektronische Gesundheitskarte abrechenbar, eine nachträgliche Erstattung durch die Gesetzliche Krankenversicherung ist weiterhin ausgeschlossen“, erläutert Mirjam Schenk, Teamleiterin Sachleistungen bei der BKK W&F.

Mirjam Schenk

IGeL-Monitor und MD

Der IGeL-Monitor ist ein Informationsportal für Patientinnen und Patienten, das der Medizinische Dienst Bund (MD) betreibt.

IGeL Monitor Logo 72dpi

Der MD ist die Interessensvertretung der insgesamt 15 Medizinischen Dienste der Länder. Für die Bewertung des möglichen Schadens und Nutzens einer IGeL recherchiert das Wissenschaftsteam in medizinischen Datenbanken und wertet diese systematisch aus.

G-BA und IQWIG

Mit Aufgaben, den Leistungsanspruch auf Basis von möglichst guten wissenschaftlichen Erkenntnissen näher auszugestalten, hat der Gesetzgeber den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beauftragt. Er wird von vier großen Selbstverwaltungsorganisationen im deutschen Gesundheitssystem gebildet, der Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), der Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV), der Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband).

Das unabhängige Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) untersucht den Nutzen und den Schaden von medizinischen Maßnahmen für Patientinnen und Patienten und wird vom G-BA beauftragt, Träger des Instituts ist eine Stiftung. Ihr Zweck ist die Förderung von Wissenschaft und Forschung..

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