Was in anderen Ländern schon eingeführt oder zumindest optional möglich ist, wird nun auch in Deutschland heftig diskutiert: die Vier-Tage-Woche. Arbeitsrechtlich ist dieser Schritt in eine geänderte Arbeitswelt möglich, wenn auch nicht immer ganz einfach.
Das gilt arbeitsrechtlich
Vor wenigen Wochen wurde das Ergebnis einer in England durchgeführten Studie veröffentlicht, bei der ca. 70 Unternehmen mit gut 3.300 Mitarbeitern die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich für die Dauer von sechs Monaten getestet hatten. Das Ergebnis ist beachtlich. Die meisten Unternehmen konnten die Produktivität steigern, während sich die Zahl der Fehltage im Testzeitraum um fast 65 Prozent reduzierte. Auch bei den Mitarbeitern kam die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit gut an. Allein ein Drittel der Beschäftigten gab an, dass sich ihre Gesundheit deutlich verbessert habe.
Und auch in Deutschland ist das Interesse an der Vier-Tage-Woche scheinbar groß. Laut einer aktuellen Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) möchte eine Mehrheit der Beschäftigten (53 Prozent) die Arbeitszeit verkürzen. Knapp die Hälfte wünscht sich zudem, weniger als fünf Tage pro Woche zu arbeiten (ogy.de/baua-arbeitszeitreport). Ebenso kommt das „Randstad Arbeitsbarometer 2023“ zu dem Ergebnis, dass 36,1 Prozent der befragten Beschäftigten in Deutschland ihre aktuelle Wochenarbeitszeit an weniger Tagen erfüllen möchten – etwa durch die Einführung der Vier-Tage-Woche.
Arbeitsrechtlich ist die Einführung der Vier-Tage-Woche in Deutschland kompliziert, aber nicht unmöglich. Zunächst sind die gesetzlichen Vorgaben und Schranken zu beachten.
Im Arbeitszeitgesetz ist eine absolute Höchstarbeitszeit von zehn Stunden an einem Arbeitstag vorgeschrieben (§ 3 Satz 2 ArbZG). Diese Obergrenze würde bei einer Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche und einer Vier-Tage-Woche bereits voll ausgeschöpft. Von den Mitarbeitern dürfte an diesen vier Tagen keine einzige Minute an zusätzlicher Arbeit verlangt werden, was das Arbeitszeitmodel recht unflexibel machen würde. Auch bei einer 38- oder 39-Stunden-Woche bliebe nicht mehr viel Spielraum für Mehrarbeit.
Überstunden und Mehrarbeit wären dann zwar nicht ausgeschlossen, diese müssten aber an einem weiteren Wochentag erbracht werden, so wie aktuell ja auch schon Wochenendarbeitszeit zulässig ist – eine entsprechende Regelung vorausgesetzt. Dabei muss dann aber auch beachtet werden, dass die Beschäftigten im Durchschnitt eines halben Jahres nicht mehr als 8 Stunden werktäglich arbeiten dürfen. Die Frage ist deshalb eher, ob solche Ausnahmeregelungen die Akzeptanz der Vier-Tage-Woche erhöhen.
Mögliche Arbeitszeitmodelle
Um eine Vier-Tage-Woche einzuführen, gibt es verschiedene Arbeitszeitmodelle. Diese könnten die Arbeit an vier Tagen vorsehen
- bei gleichbleibender Wochenarbeitszeit,
- bei reduzierter Wochenarbeitszeit und angepasstem Lohn,
- bei reduzierter Wochenarbeitszeit, aber gleichbleibendem Lohn.
Ruhezeiten einhalten
Weiterhin wäre zu beachten, dass zwischen zwei Arbeitstagen nach den gesetzlichen Bestimmungen jeweils eine Ruhezeit von wenigstens elf Stunden liegen muss (§ 5 ArbZG). Je länger der Arbeitstag, desto weniger Flexibilität bleibt folglich für die Verteilung der Arbeitszeit. Wer beispielsweise abends bis 20.00 Uhr gearbeitet hat, darf am nächsten Morgen die Arbeit nicht vor 7.00 Uhr wieder aufnehmen.
Von beiden Vorgaben kann in Ausnahmefällen abgewichen werden, allerdings nur in bestimmten Branchen, wie z. B. in Krankenhäusern, der Gastronomie oder in Verkehrsbetrieben, oder wenn ein Tarifvertrag entsprechende Klauseln enthält.
Arbeitsvertragliche Regelungen prüfen
Die wenigsten Arbeitgeber werden die Einführung einer Vier-Tage-Woche allerdings einseitig im Rahmen ihres unternehmerischen Direktionsrechts anordnen können. Vorher wäre nämlich zunächst die arbeitsvertragliche Situation der Beschäftigten zu klären.
Ist im Arbeitsvertrag die Fünf-Tage-Woche vereinbart oder gar bei älteren Verträgen eine starre Arbeitszeit mit festgelegtem Ende, müsste arbeitgeberseitig zunächst eine Änderungskündigung ausgesprochen werden, wenn die Mitarbeiter nicht freiwillig zu einer Änderung der Arbeitszeiten bereit sind. Ob Arbeitgeber diesen mitunter steinigen Weg, der sicher auch vor die Arbeitsgerichte führen wird, gehen wollen, ist eine unternehmerische Entscheidung. Arbeitsrechtlich wäre diese Hürde jedoch in vielen Fällen überwindbar.
Schwieriger wäre die Situation bei Teilzeitbeschäftigten, die in aller Regel ihre tägliche Arbeitszeit nicht ohne Grund reduziert haben. Diese müssten sich auf eine Änderung der festgelegten Arbeitszeiten nicht ohne Weiteres einlassen.
Praxistipp
Bei Einführung einer Vier-Tage-Woche würde der Urlaub der Beschäftigten anteilig reduziert, weil für den arbeitsfreien fünften Tag der Woche ja kein Urlaubstag mehr genommen werden muss. Für die Beschäftigten würden sich insoweit keine Nachteile ergeben.
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats
In allen Unternehmen und Betrieben, in denen es einen Betriebsrat oder eine andere Form der Mitarbeitervertretung gibt, kann keine einseitige Änderung eines bestehenden Arbeitszeitmodells vorgenommen werden. Denn alle Änderungen zu Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie deren Verteilung auf die einzelnen Wochentage bedürfen der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 Betriebsverfassungsgesetz). Bestehende Betriebsvereinbarungen müssten gekündigt und neue abgeschlossen werden. Auch müssten Regelungen für Überstunden und Mehrarbeit mit dem Betriebsrat neu vereinbart werden.
Damit ist keineswegs ausgeschlossen, dass die Vertreter der Beschäftigten einem solchen Modell zustimmen würden, v. a. wenn die Belegschaft dies wünscht. Immerhin gibt es in zahlreichen Schichtbetrieben ja schon ähnliche Arbeitszeitregelungen.
Entscheidend ist allein, dass die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nicht übergangen werden dürfen und Arbeitgebern an dieser Stelle Handlungsgrenzen gesetzt sind, die jedes Arbeitsgericht in Deutschland sofort bestätigen wird. Dienst- und Schichtpläne, flexible Arbeitszeitmodelle oder rollierende Systeme bedürfen ebenso der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats. Auf die Betriebsparteien käme also eine Menge Arbeit zu.
Stimmt der Betriebsrat jedoch der Einführung der Vier- Tage-Woche zu, kann sie auch im Betrieb eingeführt werden. Dabei wäre es auch zulässig, mit dem Betriebsrat die Einführung einer Art „Doppelmodell“ zu vereinbaren: Die Beschäftigten würden nicht zu langen Arbeitstagen gezwungen, sondern könnten unter festzulegenden Voraussetzungen wählen, ob sie entweder vier oder fünf Tage in der Woche arbeiten möchten.
Praxistipp
Besteht ein geltender Tarifvertrag, muss geklärt werden, ob dieser die Einführung einer Vier-Tage-Woche zulässt. Zurzeit gibt es bereits erste Tarifverträge, in denen die Vier-Tage-Woche als betriebliche Option möglich ist. Gewerkschaften stehen diesem Beschäftigungsmodell allerdings derzeit noch eher kritisch gegenüber und verweisen auf steigende Unfallgefahren bei längerer täglicher Arbeitszeit.
Sie präferieren stattdessen ein Modell, das zwar rechtlich möglich ist, in der Wirtschaft aber wenig Freunde findet: Die Streichung eines Arbeitstages, inklusive der entsprechenden Stundenzahl, bei vollem Lohnausgleich.
Arbeitsschutzaspekte beachten
Schwerwiegender dürften dagegen Arbeitsschutzaspekte zu sehen sein. Die Erbringung der Arbeit muss sich mit den Vorgaben des Arbeitsschutzes und arbeitsmedizinischen Erkenntnissen vereinbaren lassen. Ob sich die Einführung der Vier-Tage-Woche bei Zehn-Stunden-Tagen damit vereinbaren lässt, ist zumindest eine Überlegung wert. Dagegen spricht, dass es arbeitsmedizinische Studien gibt, nach denen sich längere tägliche Arbeitszeiten nachteilig auf die Gesundheit der Beschäftigten auswirken – demgegenüber spricht ein zusätzlicher freier Tag als Ausgleich für die Mehrbelastung und die offensichtliche Zufriedenheit der Beschäftigten durchaus dafür. An dieser Stelle wird sich die zukünftige Rechtsprechung sicher an arbeitsmedizinischen Forschungsergebnissen orientieren.
Fazit
Für Betriebe und Unternehmen, die ihre Dienstleistungen an fünf oder noch mehr Wochentagen anbieten, wäre es schon ohne den viel zitierten Fachkräftemangel eine große Herausforderung, alle Arbeitstage zu besetzen. Bei der aktuellen Personallage in den meisten Unternehmen erscheint dies kaum vorstellbar. Jedoch handelt es sich dabei um ein organisatorisches Problem – die arbeitsrechtlichen Hürden ließen sich dagegen, wenn auch mit etwas Aufwand, ohne Weiteres überwinden.