Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von beschäftigten Altersrentnern ist komplex und führt in der betrieblichen Praxis immer wieder zu Problemen. Zudem werden zum 1. Januar 2022 Änderungen in der Arbeitslosenversicherung und beim Hinzuverdienst wirksam, die es zu beachten gilt.
Regelaltersgrenze berücksichtigen
Wichtig für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung ist die persönliche Regelaltersgrenze des Arbeitnehmers. Abhängig davon, ob diese Grenze beim Bezug einer Altersrente bereits erreicht ist, gelten für die Beschäftigung unterschiedliche Regelungen.
Bei der Regelaltersgrenze handelt es sich um die Altersgrenze, ab der Arbeitnehmer ihre reguläre Regelaltersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen können. Diese Altersgrenze wird seit dem Jahr 2012 bis zum Jahr 2029 sukzessive vom vollendeten 65. Lebensjahr auf das vollendete 67. Lebensjahr angehoben. Ab dem Geburtenjahrgang 1964 liegt die Regelaltersgrenze bei 67 Jahren.
Die größte Fehlerquelle ist, dass die falsche Regelaltersgrenze angesetzt wird. Die individuelle Altersgrenze kann ganz einfach anhand des Geburtsdatums des jeweiligen Arbeitnehmers auf den Internetseiten der Deutschen Rentenversicherung ermittelt werden. Um auf Nummer sicher zu gehen, kann der Arbeitgeber sich aber auch entsprechende Unterlagen vorlegen lassen, aus denen die Regelaltersgrenze hervorgeht, und diese in den Entgeltunterlagen hinterlegen. Hierfür kommt z. B. die Renteninformation in Betracht, die die Deutsche Rentenversicherung einmal pro Jahr an alle Versicherten verschickt, die mindestens 27 Jahre alt sind und 5 Jahre Beitragszeiten erworben haben.
Hinzuverdienstgrenze 2022
Nach Erreichen der Regelaltersgrenze gibt es keine Begrenzung des zulässigen Hinzuverdienstes. Davor besteht Anspruch auf eine Altersvollrente regulär nur, wenn die kalenderjährliche Hinzuverdienstgrenze in Höhe von 6.300 EUR, dies entspricht dem Vierzehnfachen der Geringfügigkeitsgrenze von 450 EUR, nicht überschritten wird. Das Vierzehnfache ergab sich in der Folge der früheren monatlichen Hinzuverdienstgrenze in Höhe der Geringfügigkeitsgrenze und der bis zu zweimaligen zulässigen Überschreitung pro Kalenderjahr.
Im Falle des Überschreitens der 6.300 EUR wird nur noch eine Teilrente gezahlt, dazu wird der übersteigende Hinzuverdienst zu 40 Prozent von der Vollrente abgezogen. Eine weitere Reduzierung der Teilrente zu 100 Prozent erfolgt ggf. dann, wenn die gekürzte Rente zusammen mit dem Hinzuverdienst den individuellen Hinzuverdienstdeckel (höchste Entgeltpunkte der letzten 15 Kalenderjahre, vervielfältigt mit der monatlichen Bezugsgröße) überschreitet.
Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die Hinzuverdienstgrenze deutlich auf das Vierzehnfache der monatlichen Bezugsgröße erhöht, also für 2020 auf 44.590 EUR und für 2021 auf 46.060 EUR. Mit der jüngsten Reform des Infektionsschutzgesetzes ist die Corona-Sonderregelung bis zum 31. Dezember 2022 verlängert worden, sodass die Hinzuverdienstgrenze auch im Jahr 2022 46.060 EUR beträgt und der Hinzuverdienstdeckel keine Anwendung findet.
Änderung in der Arbeitslosenversicherung
In der Arbeitslosenversicherung (ALV) besteht für beschäftigte Altersrentner vor Erreichen der Regelaltersgrenze Versicherungspflicht, egal ob die Altersrente als Teil- oder Vollrente geleistet wird. Die Beiträge werden jeweils zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom beschäftigten Altersrentner getragen. Ab Beginn des Kalendermonats nach Erreichen der Regelaltersgrenze ist der Arbeitnehmer versicherungsfrei in der Arbeitslosenversicherung. Auch hier ist ohne Bedeutung, ob die Altersrente als Teil- oder Vollrente bezogen wird. Der Arbeitgeber muss jedoch aus Gründen der Chancengleichheit gegenüber jüngeren Arbeitnehmern seinen Beitragsanteil zur Arbeitslosenversicherung weiterhin zahlen. Mit dem sog. Flexirentengesetz wurde diese Beitragspflicht befristet für fünf Jahre vom 1. Januar 2017 bis zum 31. Dezember 2021 ausgesetzt. Ziel dieser Regelung war es, die Attraktivität der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer zu steigern, ihnen damit eine längere Erwerbstätigkeit zu ermöglichen und letztendlich dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Ab dem 1. Januar 2022 fällt auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze trotz der Versicherungsfreiheit der Arbeitgeberanteil zur Arbeitslosenversicherung wieder an. Die vorübergehende Aussetzung der Beitragspflicht wurde nicht verlängert.
Praxistipp
Mit dem Wiederaufleben der Beitragspflicht des Arbeitgeberanteils zur ALV ist in laufenden Fällen der Beitragsgruppenwechsel von Beitragsgruppenschlüssel „0“ in „2“ mit einer entsprechenden Ab- und Anmeldung (Abgabegründe „32“ und „12“) zu melden.
Beispiel Arbeitslosenversicherung
Sachverhalt:
Der Arbeitnehmer Willi Stürmer (Jahrgang 1954) geht auch nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze seit dem 1. Juli 2020 mit einer reduzierten Stundenzahl weiterhin seiner Beschäftigung nach (1.500 EUR/Monat). Der Hinzuverdienst ist für den Vollrentenbezug unschädlich, eine Erklärung über den Verzicht auf die Rentenversicherungsfreiheit hat er nicht abgegeben.
Beurteilung:
Zum Jahreswechsel 2021/2022 sind folgende DEÜV-Meldungen zu übermitteln (PGR = „119“ für rentenversicherungsfreie
Altersvollrentner):
Abmeldung mit „32“
Beschäftigungszeit: 01 01 2021 bis 31 12 2021
Beitragsgruppe: 3301
Beitragspflichtiges Entgelt: 018000
Anmeldung mit „12“
Beschäftigungszeit: ab 01 01 2022
Beitragsgruppe: 3321
Hinweis: Aufgrund der Abmeldung zum 31. Dezember 2021 entfällt für Herrn Stürmer die Notwendigkeit für die Übermittlung einer Jahresmeldung (Abgabegrund 50) für das Jahr 2021 (§ 10 Abs. 1 S. 2 DEÜV).
Beurteilung in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung
Beurteilung in der Rentenversicherung
Bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze sind beschäftigte Altersrentner in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig. Übergangsregelungen existieren lediglich für Beschäftigungsverhältnisse, die bereits am 31. Dezember 2016 bestanden. Ab Erreichen der Regelaltersgrenze wird unterschieden, ob die Altersrente als Voll- oder als Teilrente gewährt wird.
Bei einer Vollrente besteht ab Erreichen der Regelaltersgrenze Rentenversicherungsfreiheit. Arbeitgeber zahlen ihren Anteil – analog wie auch in der Arbeitslosenversicherung ab dem 1. Januar 2022 wieder – aber weiter. Seit dem Inkrafttreten des sog. Flexirentengesetzes haben Altersvollrentner nach Erreichen der Regelaltersgrenze die Möglichkeit, auf die Rentenversicherungsfreiheit zu verzichten und weiterhin Rentenansprüche zu erwerben. In diesem Fall besteht dann auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze Versicherungspflicht und die Beiträge werden je zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer getragen.
Bei Bezug einer Teilrente, die sich allein schon durch den Hinzuverdienst aus der Beschäftigung ergeben kann, gilt: Auch über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus besteht Rentenversicherungspflicht.
Kranken- und Pflegeversicherung
In der Kranken- und Pflegeversicherung sind beschäftigte Altersrentner versicherungspflichtig, die Regelaltersgrenze spielt hier keine Rolle. Abhängig davon, ob die Altersrente als Vollrente oder als Teilrente gewährt wird, gelten aber unterschiedliche Beitragssätze in der Krankenversicherung. Bei Bezug einer Vollrente besteht kein Anspruch auf Krankengeld mit der Folge, dass der ermäßigte Beitragssatz zur Krankenversicherung zur Anwendung kommt (Beitragsgruppenschlüssel „3“). Bei Bezug einer Teilrente wird hingegen im Falle einer Arbeitsunfähigkeit Krankengeld gezahlt, daher gilt der allgemeine Beitragssatz zur Krankenversicherung (Beitragsgruppenschlüssel „1“).
DEÜV-Meldungen für beschäftigte Altersrentner
Für beschäftigte Altersrentner gibt es im DEÜV-Meldeverfahren einiges zu beachten. Neben der Auswahl der richtigen Personengruppe ist die richtige Schlüsselung der Beitragsgruppen nicht immer einfach – eine typische Fehlerquelle in der betrieblichen Praxis.
Für beschäftigte Altersrentner, die eine Vollrente beziehen, gibt es separate Personengruppenschlüssel für die DEÜVMeldungen. Die Personengruppe „120“ ist bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze maßgebend. Nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze gilt grundsätzlich die Personengruppe „119“. Für Teilrentner gilt hingegen die reguläre Personengruppe „101“ für sozialversicherungspflichtig Beschäftigte ohne besondere Merkmale.
Inanspruchnahme | Beitragsgruppe | Personengruppe |
Vollrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze | 3111 | 120 |
Vollrente nach Erreichen der Regelaltersgrenze | 3301 bzw. 3101* (bis 31.12.2021) 3321 bzw. 3121* (ab 01.01.2022) | 119 bzw 120* |
Teilrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze | 1111 | 101 |
Teilrente nach Erreichen der Regelaltersgrenze | 1101 (bis 31.12.2021) 1121 (ab 01.01.2022) | 101 |
*sofern der Arbeitnehmer auf die Rentenversicherungsfreiheit verzichtet