Arbeitsrecht - 09.02.2024

Neues zur Vergütung von Betriebsratsmitgliedern

Welche Gehaltsansprüche haben die Mitglieder eines Betriebsrats, insbesondere wenn sie vollständig freigestellt sind? Widersprüchliche Urteile in der jüngsten Vergangenheit haben die Situation für Arbeitgeber nicht einfacher gemacht. Nun versucht der Gesetzgeber durch Änderungen im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) für Klarheit zu sorgen.

Rechtsprechung nicht eindeutig

Das Betriebsratsamt ist ein Ehrenamt. Das bedeutet: Wer in den Betriebsrat gewählt wird, darf sein Amt nicht zum eigenen Vorteil nutzen. Umgekehrt darf das Engagement im Betriebsrat auch nicht zu Nachteilen führen, nicht persönlicher und erst recht nicht finanzieller Art. Deshalb sieht § 37 Abs. 2 BetrVG ausdrücklich vor, dass jede Betriebsratstätigkeit ohne Kürzung des Arbeitsentgelts ausgeübt wird. Auch dürfen keine Benachteiligungen bei Höhergruppierungen, Beförderungen oder anderen Karriereschritten erfolgen. Betriebsratsmitglieder sollen also genau die Vergütung erhalten, die sie bekämen, wenn sie normal ihrer Arbeit nachgingen. Nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder erhalten deshalb ihre üblichen Bezüge.

Viel schwieriger ist es dagegen, wenn einzelne Mitglieder des Gremiums vollständig und dauerhaft freigestellt sind – und das über mehrere Amtsperioden. Denn diese können zurecht geltend machen, aufgrund ihrer dauerhaften Tätigkeit im Betriebsrat von einer betrieblichen Karriere abgeschnitten zu sein, und deshalb eine Vergütung einfordern, die ihren betriebsüblichen Aufstieg unterstellt. So weit, so einfach. Nur: Wie lässt sich beurteilen, wie weit und wie erfolgreich die Karriere verlaufen und welches Gehalt in diesem Fall angemessen wäre? Zumal § 78 Satz 2 BetrVG jede Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern durch den Arbeitgeber schlicht verbietet.

Im Januar 2023 kam es zum großen Knall: Der Bundesgerichtshof (BGH) kassierte ein anderslautendes Urteil des Landgerichts Braunschweig und verurteilte Entscheidungsträger eines bedeutenden deutschen Unternehmens aufgrund von Untreue zulasten des Unternehmens, weil Mitgliedern des Betriebsrats nach Ansicht des BGH deutlich überhöhte Vergütungen und Boni gezahlt wurden (BGH, Urteil vom 10. 1. 2023, 6 StR 133/22).

Zahlreiche Unternehmen reagierten prompt mit deutlichen Kürzungen der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern. Diese allerdings akzeptierten die Verringerungen ihrer Gehälter häufig nicht und zogen vor die Arbeitsgerichte, wo sie auch überwiegend erfolgreich waren. Die betriebliche Mitbestimmungskultur wurde somit erheblich belastet und bei allen Beteiligten herrscht seitdem große Unsicherheit. Besonders für die Arbeitgeberseite ist die Situation schwierig: Wird zu viel gezahlt, droht eine Strafe – wird zu wenig gezahlt, verliert man vor dem Arbeitsgericht und wird zu Nachzahlungen verurteilt.

Praxistipp

Nach dem Urteil des BGH ist die Bewertung einer hypothetischen Karriere zur Ermittlung von Vergütungsgrundsätzen für Betriebsratsmitglieder nach wie vor zulässig. Außerdem gibt es erste Stimmen, die sich dafür stark machen, dass auch während der Amtszeit erworbene Fachkenntnisse und Erfahrungen als Vergütungsfaktoren zugunsten der Betriebsratsmitglieder zu berücksichtigen seien.

Initiative des Gesetzgebers

Als Ausweg aus diesem Dilemma beabsichtigt der Gesetzgeber eine Änderung der gesetzlichen Vorschriften, um für Klarheit zu sorgen. Dazu wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Expertenkommission eingesetzt, deren Vorschläge die Basis für die nun vorliegenden Änderungen im Betriebsverfassungsgesetz bilden.

Im Ergebnis hält die Expertenkommission am Ehrenamtsprinzip grundsätzlich fest und orientiert sich im Wesentlichen an der Rechtsprechung des BAG. Dem vielfach aus der Entscheidung des BGH gezogenen Schluss, eine über die Mindestvergütung hinausgehende Vergütung von Betriebsratsmitgliedern sei nur ausnahmsweise zulässig, wird im Ergebnis eine Absage erteilt. Gleichzeitig soll die Möglichkeit, Verstöße gegen das Begünstigungsverbot aufzuklären und zu ahnden, nicht eingeschränkt werden. Dazu wurden die nebenstehenden beiden gesetzlichen Neuregelungen von der Bundesregierung verabschiedet.

Somit wird die Gefahr einer möglichen Benachteiligung langjährig amtierender Betriebsratsmitglieder anerkannt und ein Ausweg aus der bestehenden Problematik aufgezeigt. Auch soll deutlich mehr Transparenz bei fiktiven Karrieren und der darauf basierenden Vergütungsermittlung geschaffen werden.

Arbeitgeber und Betriebsrat sollen sich künftig auf ein Verfahren zur Bestimmung von Vergleichspersonen verständigen und dazu eine Betriebsvereinbarung abschließen, die von den Arbeitsgerichten nur noch auf „grobe Fehlerhaftigkeit“ überprüft werden kann. Dabei müssen sie sich an den Vorgaben der Rechtsprechung orientieren. Damit sind solche Arbeitnehmer als vergleichbar anzusehen, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie das Betriebsratsmitglied und dafür in gleicher Weise wie dieses fachlich und persönlich qualifiziert waren. Ergeben sich nach Amtsübernahme Änderungen der geschuldeten Arbeit, werden vergleichbare Arbeitnehmer für die „neue“ Tätigkeit ausgewählt werden müssen.

Nicht geregelt ist, wie die Betriebsparteien vorzugehen haben, wenn im Betrieb keine vergleichbaren Arbeitnehmer vorhanden sind. Denkbar ist, in diesem Fall die regionale Branchenüblichkeit als Kriterium heranzuziehen. Offen ist auch, wie groß eine Vergleichsgruppe überhaupt sein muss.

Von einer groben Fehlerhaftigkeit der einvernehmlichen Festlegungen der Betriebsparteien im Verfahren und zu Vergleichspersonen wird auszugehen sein, wenn von den Vergleichbarkeitsmerkmalen gravierend abgewichen wird. Beispielsweise dann, wenn sachwidrige weitere Kriterien benannt, wesentliche Kriterien nicht berücksichtigt oder diese untereinander falsch gewichtet werden.

Unglücklich scheint jedoch, dass eine solche Betriebsvereinbarung nach dem Wortlaut der Gesetzesänderung nicht erzwingbar und damit auch nicht verpflichtend ist. Was die Frage aufwirft, welche Folgen es hätte, wenn keine Betriebsvereinbarung zustande kommt.

In jedem Fall müssen Arbeitgeber darauf achten, dass bei einer fiktiven Beförderung eines Betriebsratsmitglieds zur Rechtfertigung einer höheren Vergütung auch passende freie Stellen nachweisbar vorhanden sind. Soweit keine Stellenkapazitäten bestehen, wird ein Anspruch auf eine höhere Vergütung unter Berufung auf § 78 Satz 2 BetrVG nicht hergeleitet werden können. Eine Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern dürfte dabei ausgeschlossen sein, weil auch andere Arbeitnehmer üblicherweise nicht auf schon besetzte Stellen befördert werden.

Ergänzung des § 37 Abs. 4 BetrVG

„Die Vergleichbarkeit bestimmt sich nach dem Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamts, soweit nicht ein sachlicher Grund eine spätere Neubestimmung verlangt. Arbeitgeber und Betriebsrat können in einer Betriebsvereinbarung ein Verfahren zur Festlegung vergleichbarer Arbeitnehmer regeln. Die Konkretisierung der Vergleichbarkeit in einer solchen Betriebsvereinbarung kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden; gleiches gilt für die Festlegung der Vergleichspersonen, soweit sie einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt und in Textform dokumentiert ist.“

Ergänzung des § 78 S. 2 BetrVG

„Eine Begünstigung oder Benachteiligung liegt im Hinblick auf das gezahlte Entgelt nicht vor, wenn das Mitglied der in Satz 1 genannten Vertretungen in seiner Person die für deren Gewährung erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.“

Kriterien für Vergütung transparent machen

Zusammengefasst ist Arbeitgebern zu raten, transparent und nachvollziehbar darzulegen, nach welchen Kriterien sie v. a. die Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder bemessen, welche vergleichbaren Arbeitnehmer berücksichtigt wurden und wie der Verlauf einer hypothetischen betriebsüblichen Karriere ermittelt wird. Betriebsratsmitgliedern sollen natürlich keine finanziellen oder sonstigen Nachteile entstehen. Gleichzeitig sollte jeder Arbeitgeber, unabhängig von strafrechtlichen Aspekten, daran interessiert sein, jeden Eindruck einer Begünstigung durch nicht nachvollziehbare Gehaltsentscheidungen zu vermeiden, schon um den Betriebsfrieden nicht zu gefährden.

Ob die Gesetzesänderungen wirklich Rechtssicherheit bringen und den Umgang mit einer hypothetischen Karriereentwicklung erleichtern, wird sich zeigen. Nach wie vor bleibt ungeregelt, welche Qualifikationen der betroffenen Personen in welcher Weise berücksichtigt werden dürfen und sollen. Es muss daher abgewartet werden, wie die neuen Vorschriften in der Praxis angewandt werden und welche Hinweise zu ihrer Auslegung die Gerichte geben.

Praxistipp

Das nicht zustimmungspflichtige „Zweite Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes“ wurde dem Bundesrat als besonders eilbedürftig zugeleitet, dieser hatte in seiner letzten Sitzung des vergangenen Jahres am 15. Dezember 2023 keine Bedenken oder Änderungsvorschläge. Der Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens und die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt standen bei Redaktionsschluss noch aus.

Hinweis: Bitte beachten Sie, dass dieser Inhalt zwischenzeitlich veraltet sein könnte.

Keine Ausgabe mehr verpassen? Hier abonnieren.