Sozialversicherung - 23.04.2021

Brexit – Auswirkungen auf die soziale Sicherung

In der letzten Ausgabe des BKK Service haben wir über den damals aktuellen Stand der Brexit­ Verhandlungen berichtet. Danach wurde im Dezember noch intensiv beraten und für den einen oder anderen vielleicht sogar etwas überraschend die EU­-Vertreter und das Vereinigte Königreich haben sich tatsächlich noch pünktlich zu Weihnachten auf ein Handels-­ und Kooperationsabkom­men geeinigt.

Brexit – Auswirkungen auf die soziale Sicherung
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Die für eine Ratifizierung dieses Abkommens (auch Partnerschaftsvertrag genannt) erforderlichen Schritte haben bis zum 30. Dezember 2020 im Eiltempo stattgefunden. Dies waren:

  • die Unterzeichnung der Parteien,
  • die Zustimmung aller Mitgliedstaaten,
  • die Zustimmung durch das britische Unterhaus sowie
  • die formelle Bestätigung der Queen.

Lediglich die Bestätigung durch das EU-Parlament steht noch aus. Sie ist für Ende Februar 2021 vorgesehen. Ungeachtet dieses noch fehlenden Akts sollen die neuen Regelungen bis dahin bereits vorläufig angewendet werden.

Zeitpunkt entscheidend

Im Jahr 2021 muss genau unterschieden werden, welche Rechtsnormen für den zu prüfenden Sachverhalt anzuwenden sind. Man unterscheidet in

  • Sachverhalte, die bereits einen grenzüberschreitenden Bezug vor dem 1. Januar 2021 hatten; diese werden unter den Voraussetzungen des Austrittsabkommens beurteilt.
  • Sachverhalte, die ab dem 1. Januar 2021 beginnen und vorher keinerlei grenzüberschreitenden Bezug zwischen einem EU-Mitgliedstaat und dem Vereinigten Königreich hatten; diese fallen unter das neue Handels- und Kooperationsabkommen und werden im Folgenden als „Neufälle“ bezeichnet.

Sachverhalte, die vom Austrittsabkommen erfasst werden

Bestandsfälle – also Sachverhalte, die bereits im Jahr 2020 begonnen haben – sind vom Austrittsabkommen gedeckt. Wesentliche Voraussetzung war und ist nach wie vor, „dass die betroffene Person sich weiterhin in einer unveränderten Situation mit Bezug sowohl zum Vereinigten Königreich als auch zu einem EU-Mitgliedstaat befindet“.

Ein im Sommer 2020 nach Großbritannien entsandter Arbeitnehmer – unterstellt, die grundsätzlichen Entsendevoraussetzungen sind erfüllt – kann dort auch im Jahr 2021 weiter seiner Beschäftigung nachgehen. Die deutschen Rechtsvorschriften sind weiterhin für ihn anwendbar, solange sich an der Grundsituation nichts ändert. Selbst eine kurzzeitige Unterbrechung (von maximal einem Monat) ist dabei unschädlich. Eine Verlängerung der A1-Bescheinigung im Jahr 2021 – falls z. B. die maximale Entsendezeit von 24 Monaten noch nicht ausgeschöpft ist – ist ebenfalls unter den genannten Bedingungen weiterhin möglich, da der zugrundeliegende Sachverhalt bereits im Jahr 2020 begonnen hat.

Sachverhalte, die vom Handels-­ und Kooperationsabkommen erfasst werden

Für die Neufälle sind die Regelungen aus dem Partnerschaftsvertrag anzuwenden. Danach gelten die bisherigen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit grundsätzlich weiter, wenn

  • die Entsendung durch einen Arbeitgeber erfolgt, der eine nennenswerte Geschäftstätigkeit im Entsendestaat ausübt,
    • der Einsatz voraussichtlich 24 Monate nicht überschreitet und
    • keine zuvor entsandte Person abgelöst wird.

Die Konsequenz ist, dass z. B. ein Arbeitnehmer, der am 1. Februar 2021 aus Deutschland in das Vereinigte Königreich entsandt wird, unter den genannten Bedingungen weiterhin dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt.

Beispiel
Sachverhalt: Eine Arbeitnehmerin war vor dem 1. Januar 2021 in keiner grenzüberschreitenden Situation zwischen dem Vereinigten Königreich und einem EU-Mitgliedstaat. Sie wird von ihrem in Deutschland ansässigen Arbeitgeber vom 1. Februar 2021 bis 15. März 2021 in das Vereinigte Königreich entsandt.
Beurteilung: Vorausgesetzt, die sonstigen Entsendevoraussetzungen sind erfüllt, gelten für die Dauer der Entsendung die vom Abkommen erfassten deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit.

Egal, ob die Entsendung eines Arbeitnehmers im Sinne des Austrittsabkommens oder des Partnerschaftsvertrages zu beurteilen ist, ist in beiden Fällen weiterhin das elektronische Antrags- und Bescheinigungsverfahren A1 (gem. § 106 SGB IV) zu nutzen.

Leistungen der Krankenversicherung können auch im Jahr 2021 zunächst wie auch schon nach dem Austritt im Februar 2020 weiter mit der Europäischen Krankenversicherungskarte (EHIC) in Anspruch genommen werden.

Ausblick

Im Grunde genommen bleibt zumindest für Deutschland im Hinblick auf die Krankenversicherung alles, wie es war; lediglich das zugrunde liegende Regelwerk, das die Anwendbarkeit des Sozialgesetzbuchs bestimmt, hat sich geändert.

Allerdings enthält der Partnerschaftsvertrag (in Artikel SSC.11 Nr. 2) eine Klausel, nach der jeder Mitgliedstaat der EU für sich selbst bis zum Tag des Inkrafttretens (dies dürfte der Tag nach der abschließenden Zustimmung durch das EU-Parlament sein) entscheiden und der EU mitteilen kann, ob und ggf. in welchem Umfang er von dieser Regelung abweichen will. Es bleibt also abzuwarten, ob die übrigen EU-Mitgliedstaaten sich ähnlich wie Deutschland verhalten werden.

Hinweis
Für Bürger des Vereinigten König- reichs wird es zukünftig eine EHIC in neuem Design (voraussichtlich ohne den europäischen Bezug in Form von Farbe und Sternen) geben, die derzeit aber noch nicht vorliegt. Bis diese zur Verfügung steht, kann bei vorübergehenden Aufenthalten in EU-Mitgliedstaaten die bisherige EHIC oder eine Provisorische Ersatzbescheinigung (PEB) genutzt werden. Zu beachten ist allerdings, dass Leistungen bei Pflegebedürftigkeit zukünftig nicht mehr erfasst werden!

Die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung –Ausland (DVKA) hat auf ihren Internetseiten bereits einige Informationen veröffentlicht. Es ist zu empfehlen, diese Informationen im Hinblick auf weitere Aktualisierungen auch in den nächsten Wochen im Auge zu behalten.

Hinweis: Bitte beachten Sie, dass dieser Inhalt zwischenzeitlich veraltet sein könnte.

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