Sozialversicherung - 09.06.2021

Sonderregelungen für kurzfristig Beschäftigte

Die Corona-Pandemie bringt auch für Arbeitgeber, die Saisonarbeitskräfte beschäftigen, große Herausforderungen mit sich. Deshalb hat der Gesetzgeber für die Zeit vom 1. März bis 31. Oktober 2021 erneut eine Anhebung der Zeitgrenzen für kurzfristige Beschäftigungen verabschiedet. Zudem hat das Bundessozialgericht ein klarstellendes Urteil zu den Zeitgrenzen gefällt, das vom 1. Juni 2021 an Berücksichtigung finden soll.

Zeitgrenzen

Regulär gilt für kurzfristige Beschäftigungen, die von vornherein oder nach ihrer Eigenart zeitlich befristet sind, eine Zeitgrenze von 3 Monaten bzw. 70 Arbeitstagen. Kurzfristigkeit führt unabhängig von der Entgelthöhe zu Sozialversicherungsfreiheit. Dies gilt immer dann nicht, wenn solche Beschäftigungen berufsmäßig ausgeübt werden und das monatliche Arbeitsentgelt 450 EUR übersteigt.

Anhebung der Zeitgrenzen aufgrund von Corona

Letztes Jahr wurden die regulären Zeitgrenzen für kurzfristige Beschäftigungen befristet für die Zeit vom 1. März bis 31. Oktober 2020 von 3 Monaten bzw. 70 Arbeitstagen auf 5 Monate bzw. 115 Arbeitstage angehoben. Auch für dieses Jahr hat der Gesetzgeber eine Sonderregelung beschlossen. Sie soll insbesondere landwirtschaftliche Betriebe unterstützen, die aufgrund der Corona- Pandemie große Probleme haben, Saisonkräfte für die Erntezeit zu rekrutieren.

Was sich vorübergehend ändert:

  • Die Zeitgrenze für kurzfristige Beschäftigungen wird auf 4 Monate bzw. 102 Arbeitstage angehoben – ein Monat weniger als im letzten Jahr.
  • Die längeren Zeitgrenzen gelten rückwirkend vom 1. März bis zum 31. Oktober 2021.
  • Die Anhebung gilt für alle kurzfristigen Beschäftigungen, unabhängig von der Branche, in der sie ausgeübt werden.

Ende der Beschäftigung nach dem 31. Oktober 2021

Beschäftigungen, die nach dem 31. Oktober 2021 enden, werden zunächst mit der neuen Zeitgrenze von 4 Monaten bzw. 102 Arbeitstagen beurteilt. Zum 1. November 2021 ist dann aufgrund des Auslaufens der Sonderregelung wieder die kürzere Zeitdauer von 3 Monaten oder 70 Arbeitstagen zu berücksichtigen. Ab dem 1. November 2021 liegt eine kurzfristige Beschäftigung nur noch dann vor, wenn die Beschäftigung seit ihrem Beginn auf längstens 3 Monate bzw. 70 Arbeitstage befristet ist.

Gilt nicht für bereits beurteilte Beschäftigungen

Die längere Zeitgrenze von 4 Monaten bzw. 102 Arbeitstagen gilt nicht für solche Beschäftigungsverhältnisse, die bereits vor dem Inkrafttreten der neuen Übergangsregelung am 1. Juni 2021 begonnen haben und die unter Anwendung der bisherigen Zeitgrenzen von 3 Monaten bzw. 70 Arbeitstagen nicht als kurzfristige Beschäftigungen beurteilt worden sind. Solche Beschäftigungen sind und bleiben sozialversicherungspflichtig. Damit wird verhindert, dass durch die Neuregelung in einen bestehenden Sozialversicherungsschutz der Mitarbeiter eingegriffen wird.

Einzige Ausnahme: Es handelt sich um eine zunächst auf 3 Monate bzw. 70 Arbeitstage befristete kurzfristige Beschäftigung, die in der Zeit vom 1. Juni bis 31. Oktober 2021 auf 4 Monate bzw. 102 Arbeitstage ausgeweitet wird.

Sonderregelungen für kurzfristig Beschäftigte-Zeitgrenzen
Youngoldman/depositphotosID:239084672

Beispiele

Ausdehnung von Zeitgrenzen

Sachverhalt:
Ein Rentner nimmt am 1. Juli 2021 eine Beschäftigung als Fahrer eines Lieferservices für ein monatliches Arbeitsentgelt von 1.200 EUR auf. Die Beschäftigung ist von vornherein bis zum 31. Oktober 2021 befristet. Vorbeschäftigungszeiten im Kalenderjahr 2021 liegen nicht vor.

Beurteilung:
Die am 1. Juli 2021 aufgenommene Beschäftigung ist kurzfristig und daher sozialversicherungsfrei, weil zu ihrem Beginn feststeht, dass die vorübergehend erhöhte Zeitgrenze für kurzfristige Beschäftigungen von vier Monaten nicht überschritten wird.

bereits beurteilte Beschäftigungen

Sachverhalt:
Eine Hausfrau nimmt am 1. Februar 2021 eine Beschäftigung als Aushilfsverkäuferin für ein monatliches Arbeitsentgelt von 1.300 EUR auf. Die Beschäftigung ist von vornherein bis zum 31. Mai 2021 befristet. Vorbeschäftigungszeiten im Kalenderjahr 2021 liegen nicht vor.

Beurteilung:
Die Beschäftigung ist nicht kurzfristig und damit sozialversicherungspflichtig, weil zu ihrem Beginn festgestanden hat, dass die am 1. Februar 2021 geltende Zeitgrenze für kurzfristige Beschäftigungen von drei Monaten überschritten wird. Auch nach Inkrafttreten der Neuregelung bleibt die Beschäftigung sozialversicherungspflichtig, obwohl die neue Zeitgrenze von vier Monaten nicht überschritten wird.

Ende der Beschäftigung nach 31.10.2021

Sachverhalt:
Eine Rentnerin nimmt am 1. August 2021 eine Beschäftigung als nicht-medizinische Hilfskraft in einem Corona-Schnelltestzentrum für ein monatliches Arbeitsentgelt von 1.200 EUR auf. Die Beschäftigung ist von vornherein bis zum 30. November 2021 befristet. Vorbeschäftigungszeiten im Kalenderjahr 2021 liegen nicht vor.

Beurteilung:
Die Beschäftigung ist kurzfristig und daher sozialversicherungsfrei, weil zu ihrem Beginn feststeht, dass die am 1. August 2021 geltende Zeitgrenze für kurzfristige Beschäftigungen von vier Monaten nicht überschritten wird. Für die Zeit ab 1. November 2021 ist die Beschäftigung neu zu beurteilen, weil aufgrund der Beendigung der gesetzlichen Übergangsregelung zum 31. Oktober 2021 eine Änderung in den Verhältnissen eintritt. Ab dem 1. November 2021 liegt keine kurzfristige Beschäftigung mehr vor, weil die (ab diesem Zeitpunkt wieder geltende) Zeitdauer von drei Monaten ausgehend vom Beschäftigungsbeginn im Laufe des Beschäftigungsverhältnisses überschritten wird.

BSG: Zeitgrenze nicht von Wochenarbeitszeit abhängig

Hinsichtlich der Kurzfristigkeit ist unabhängig von der coronabedingten Ausweitung ein weiterer Aspekt für die Praxis relevant. Denn bereits mit Urteil vom 24. November 2020 (B 12 KR 34/19 R) hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass die beiden im Gesetz genannten Zeitgrenzen nach Monaten und nach Arbeitstagen gleichwertige Alternativen darstellen. Für die bisher laut Geringfügigkeits-Richtlinien vorgesehene Abgrenzung anhand der Anzahl der wöchentlichen Arbeitstage fehlt es demnach an einer gesetzlichen Grundlage.

In der Konsequenz sind die Voraussetzungen der Kurzfristigkeit bei einer an mindestens 5 Tagen in der Woche ausgeübten Beschäftigung auch dann erfüllt, wenn diese zwar auf mehr als 3 (4) Monate befristet ist, jedoch an nicht mehr als 70 (102) Arbeitstagen ausgeübt wird. Wer also beispielsweise bei einer 5-Tage-Woche befristet vom 1. Juni bis 8. Oktober 2021 beschäftigt ist, wäre nach der alten Rechtsauffassung versicherungspflichtig (> 4 Monate), nach der neuen nun aber versicherungsfrei (≤ 102 Arbeitstage). Hiernach soll laut Festlegung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung vom 1. Juni 2021 an verfahren werden, die Geringfügigkeits-Richtlinien werden zeitnah überarbeitet.

Meldeverfahren

Bei der Beurteilung, ob eine kurzfristige Beschäftigung vorliegt, müssen Arbeitgeber immer prüfen, ob Vorbeschäftigungen im laufenden Kalenderjahr vorliegen. Denn: Mehrere kurzfristige Beschäftigungen werden zusammengerechnet, die jeweilige Zeitgrenze kann pro Arbeitnehmer also nur einmal im Kalenderjahr ausgeschöpft werden.

Ab dem kommenden Jahr soll diese Prüfung für Arbeitgeber einfacher werden. Sie sind dann nicht mehr ausschließlich auf die Angaben ihrer Mitarbeiter angewiesen, sondern erhalten die Informationen über parallel ausgeübte kurzfristige Beschäftigungen sowie kurzfristige Vorbeschäftigungen automatisiert von der Minijob-Zentrale elektronisch übermittelt. So können Arbeitgeber beurteilen, ob die Zeitgrenzen für die kurzfristige Beschäftigung eingehalten wurden bzw. wann diese überschritten sind. Das verschafft ihnen mehr Rechtssicherheit.

Erweiterung um Angaben zur Krankenversicherung

Eine weitere Neuerung im Meldeverfahren für kurzfristig Beschäftigte ist, dass ab dem 1. Januar 2022 in der DEÜV-Anmeldung angegeben werden muss, wie der Mitarbeiter für die Dauer der Beschäftigung krankenversichert ist. Damit soll sichergestellt werden, dass kurzfristig und sozialversicherungsfrei Beschäftigte auch tatsächlich über eine Absicherung im Krankheitsfall verfügen.

Praxistipp

Die Arbeitgeber benötigen künftig von ihren Saisonarbeitskräften und Aushilfen also einen Nachweis über die Art der Krankenversicherung. Dieser wird zum verpflichtenden Bestandteil der im Betrieb zu führenden Entgeltunterlagen.

Hinweis: Bitte beachten Sie, dass dieser Inhalt zwischenzeitlich veraltet sein könnte.

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