Personalpraxis - 09.08.2023

Motivation im Job: Eigene Arbeitsplatzgestaltung

Fachkräfte- und Bewerbermangel bereiten den Betrieben zunehmend Probleme. Konzepte, wie die wertvollen bestehenden Mitarbeiter im Unternehmen gehalten werden können, gewinnen deshalb an Bedeutung. Das sog. „Job Crafting“ – die individuelle Ausgestaltung des Arbeitsplatzes – ist für Unternehmen und Beschäftigte ein möglicher Ansatz, der für beide Seiten Vorteile bringt.

Die drei Schritte des Job Crafting

Der Begriff „Job Crafting“ kommt aus der Organisationspsychologie und wurde erstmals in den frühen 2000er Jahren von den amerikanischen Wissenschaftlerinnen Amy Wrzesniewski und Jane Dutton geprägt. Sie beschrieben damit, wie Arbeitnehmer bewusst ihre Aufgaben, die Beziehungen in ihrem Unternehmen und ihre Einstellung zu ihrer Arbeit verändern können, um eine größere Bedeutung und Erfüllung in ihrer Tätigkeit zu finden.

Der Gedanke dahinter: Beschäftigte, die ihre Arbeit nicht passiv hinnehmen, sondern sie aktiv gestalten können, stellen eine bessere Vereinbarkeit zwischen ihren individuellen Bedürfnissen und den Anforderungen des Jobs her. Die Folgen: Mehr Motivation und mehr Zufriedenheit sowie positive Auswirkungen auf die Gesundheit. Für das Unternehmen bedeutet dies einen Gewinn, denn es hat einen produktiven, innovativen und zufriedenen Beschäftigten, der gerne im Unternehmen arbeitet und sich nicht nach einem anderen Arbeitgeber umsieht.

Es gibt drei Bereiche, um die individuellen Stärken des Mitarbeiters und die Gestaltungsmöglichkeiten im Job zu fördern: die eigentlichen Arbeitsaufgaben, die Arbeitsbeziehungen im Unternehmen und die eigene Sicht auf die Arbeit.

Aufgabencrafting

bezieht sich auf die Anpassung der Arbeitsinhalte und -anforderungen. Hier kann ein Mitarbeiter beispielsweise Aufgaben hinzufügen, entfernen oder neu gestalten, um seinen individuellen Stärken, Interessen und seinem Arbeitstempo besser gerecht zu werden. Konkret können dazu Aufgabenlisten und Stellenbeschreibungen überprüft und ggf. angepasst werden. Eine Büroangestellte, die zusätzlich zu ihren administrativen Aufgaben z. B. auch die Verantwortung für das Organisieren von Team- Events übernimmt, könnte so ihre organisatorischen und kreativen Fähigkeiten mehr einsetzen, um das Arbeitsumfeld positiv zu beeinflussen.

Beziehungscrafting

setzt bei den sozialen Interaktionen am Arbeitsplatz an. Hierbei können Beziehungen zu Kollegen, Vorgesetzten oder Kunden intensiviert oder aber reduziert werden, um das Arbeitsumfeld angenehmer und unterstützender zu gestalten. Die Teilnahme z. B. an sozialen Aktivitäten am Arbeitsplatz, der Aufbau von Mentoren-Beziehungen oder Teambeteiligungen können hier Positives bewirken. So könnte ein Projektmanager gezielt den Austausch mit verschiedenen Teammitgliedern suchen, um ein internes Netzwerk aufzubauen und die Zusammenarbeit zu verbessern.

Kognitives Crafting

bezieht sich auf die individuelle Interpretation der Arbeit. Dabei geht es darum, wie Aufgaben und Verantwortlichkeiten wahrgenommen werden und welche Bedeutung ihnen zugeschrieben wird. Indem Arbeitnehmer ihre Sichtweise auf ihre Aufgaben verändern, können sie ihre Arbeitsmotivation und -zufriedenheit steigern. Beispielsweise kann es zu einer positiven Einstellung beitragen, die eigenen Tätigkeiten aus einer anderen Perspektive zu betrachten: Welche Bedeutung haben sie für das Endergebnis, wo stehen sie damit im Unternehmen/beim Kunden? Eine Verkäuferin könnte sich z. B. fragen, wie das Produkt den Kunden wirklich hilfreich unterstützen kann, statt wie sie ihren Kunden zum Kauf eines Produktes überreden kann.

Auswirkungen von Job Crafting auf die Gesundheit

Verschiedene Studien haben neben den persönlichen Aspekten des Job Craftings für die Mitarbeiter und den wirtschaftlichen Auswirkungen für die Unternehmen auch den Einfluss auf die Gesundheit untersucht. So zieht z. B. die Studie „STAYhealthy“ der Johannes Gutenberg Universität Mainz und des Leibniz-Instituts für Resilienzforschung das positive Fazit, dass das Anpassen von Tätigkeiten an individuelle Bedürfnisse Stress reduzieren kann, indem Über- oder Unterforderungen vermieden werden. Wer mehr Kontrolle über seine Arbeit hat, kann Stressoren reduzieren und seine Belastbarkeit verbessern. Gesundheitsgefahren wie z. B. Burnout können vermieden werden.

Umsetzbarkeit im Unternehmen

Das „Konzept“ Job Crafting wird von Mitarbeitern selbst initiiert und ist damit ein proaktiver Ansatz der Arbeitsgestaltung. Es kann vom Unternehmen nicht erzwungen werden. Allerdings kann ein Umfeld geschaffen werden, das den Beschäftigten ermöglicht, ihren Job selbstständig und kreativ zu gestalten. Vor allem Führungskräfte können ihre Mitarbeiter z. B. durch regelmäßige Gespräche oder gezielte Schulungen dabei unterstützen, und damit deren individuelle Bedürfnisse und Präferenzen bei der Schaffung einer produktiven Arbeitsumgebung entsprechend berücksichtigen. Weiterbildungen können vom Erlernen einer neuen Organisationssoftware über Sprachkurse bis zu Rhetorik- oder Coaching-Lektionen reichen. Durch Digitalisierung und Flexibilisierung von Arbeitszeit, -ort oder -weisen kann u. U. eine bessere Work-Life-Balance erreicht werden. Job Crafting ermöglicht es Beschäftigten, ihre sozialen Interaktionen am Arbeitsplatz zu gestalten. Durch die Zusammenarbeit mit Kollegen, die Zusammenstellung von Teams oder die Teilnahme an bestimmten Projekten können sie Beziehungen aufbauen und unterstützende Netzwerke entwickeln.

Grenzen von Job Crafting

Wie viele Methoden zur Arbeitsgestaltung wirkt Job Crafting nicht immer positiv. Wenn Arbeitnehmer zu viele Aufgaben übernehmen oder ihre Arbeitsanforderungen zu stark anpassen, besteht die Möglichkeit einer Überlastung. Dies kann zu Stress und einer beeinträchtigten Work-Life- Balance führen. Das Anpassen von Beziehungen am Arbeitsplatz kann auch zu Konflikten führen: Werden bestimmte Kollegen oder Vorgesetzte bewusst gemieden, verursacht dies evtl. Spannungen oder ein gestörtes Arbeitsklima.

Nicht alle Jobs oder Arbeitsumgebungen ermöglichen ein umfassendes Job Crafting. In einigen Berufsfeldern oder Organisationen sind die Arbeitsaufgaben und -strukturen stark vorgegeben und lassen wenig Spielraum für individuelle Anpassungen.

Praxistipp

Hintergrundinformationen zur Bedeutung und Umsetzbarkeit von Job Crafting bietet z. B. die Broschüre der Initiative Gesundheit und Arbeit (iga) „Job Crafting im Betrieb“.

Hinweis: Bitte beachten Sie, dass dieser Inhalt zwischenzeitlich veraltet sein könnte.

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