Sie machen alles andere als Dienst nach Vorschrift: Rund zehn Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland sind einer Studie zufolge arbeitssüchtig. Wer psychisch abhängig von seiner Arbeit ist, riskiert negative Auswirkungen auf seine Gesundheit und damit u. U. längere Arbeitsausfälle. Unternehmen können mit gezielten Maßnahmen dazu beitragen, das Risiko von Arbeitssucht zu reduzieren.
Zusammenhang zwischen Arbeitssucht und Gesundheitsgefahren
Eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte aktuelle Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Technischen Universität Braunschweig hat einen klaren Zusammenhang zwischen suchthaftem Arbeiten und den negativen Auswirkungen auf die Gesundheit nachweisen können. Demnach zeigt fast jeder zehnte Beschäftigte – verteilt über alle Berufsgruppen – ein exzessives und zwanghaftes Arbeitsverhalten (9,8 Prozent). Besonders häufig verbreitet ist es bei Führungskräften und Beschäftigten in leitender Position (12,4 Prozent). Die Betroffenen arbeiten nicht nur sehr lange, schnell und parallel an verschiedenen Aufgaben, sondern haben auch das dauerhafte Bedürfnis zu arbeiten. Sie können in der Freizeit nicht entspannen und haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie sich freinehmen.
Die konkreten Ursachen für die hohe Zahl der Arbeitssüchtigen sind nach wie vor unklar. Wissenschaftler vermuten die Ursachen hierfür u. a. in der zunehmenden Flexibilisierung der Erwerbsarbeit, den beschleunigten Arbeitsprozessen sowie der verstärkten räumlichen Entgrenzung von Erwerbstätigkeit und Privatem.
Anzeichen für Arbeitssucht
Klare Anzeichen für eine Arbeitssucht sowie zwanghaftes Arbeitsverhalten sehen die Wissenschaftler bei den Beschäftigten, die Aussagen zustimmen wie:
- „Es ist wichtig für mich, hart zu arbeiten, auch wenn mir das, was ich tue, keinen Spaß macht.“
- „Es fällt mir schwer zu entspannen, wenn ich nicht arbeite.“
- „Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich mir frei nehme.“
Praxistipp
Der weit verbreitete Begriff des „Workaholics“ kann nur zum Teil mit suchthaftem Arbeiten in Verbindung gebracht werden, da mit dieser Bezeichnung in der Regel Beschäftigte bezeichnet werden, die zwar sehr viel arbeiten, dabei aber glücklich sind.
Negative gesundheitliche Auswirkungen
Die Forscher konnten in der Studie nachweisen, dass das suchthafte Arbeiten auf Kosten der Gesundheit der Beschäftigten geht. Dies gilt sowohl für die Selbsteinschätzung der Arbeitssüchtigen als auch für die tatsächlichen psychosomatischen und körperlichen Beschwerden. Betroffene stufen ihren Gesundheitszustand etwas doppelt so häufig als weniger gut oder schlecht ein wie nicht betroffene Beschäftigte. Zudem zeigen sie im Vergleich zu anderen Beschäftigten deutlich häufiger körperliche oder psychosomatische Symptome, wie z.B. Muskel- und Skelettbeschwerden, Schlafstörungen oder Niedergeschlagenheit), suchen deswegen aber seltener ärztliche Hilfe. Auffällig ist auch die Anzahl der Fehltage: Mit 45 Prozent meldete sich fast die Hälfte der suchthaft Arbeitenden an keinem einzigen Tag im Jahr vor der Befragung krank.
Es zeigt sich, dass suchthaft Arbeitende der Behandlung und Genesung ihrer Beschwerden weniger Beachtung schenken als die gelassen arbeitenden Mitarbeiter. Dies bleibt nicht ohne Auswirklungen: Mögliche Folgen für Beschäftigte, die unter Arbeitssucht leiden, sind erhöhte Risiken für Burnout oder depressive Verstimmungen – psychische Leiden, die zu langwierigen Arbeitsausfällen führen können.
So können Betriebe gegensteuern
Betriebe können versuchen, mit gezielten Maßnahmen das Risiko für suchthaftes Arbeiten und damit mögliche langwierige Arbeitsausfälle so gering wie möglich zu halten – besonders auch vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels. Dies betrifft in erster Linie Änderungen in den betrieblichen Arbeitsbedingungen. Mögliche Präventionsmaßnahmen könnten z. B. sein:
- Sensibilisierung der Beschäftigten und Führungskräfte für das Thema, offener Umgang mit exzessivem Arbeitsverhalten und die gemeinsame Suche nach Lösungen bei Problemen (z. B. andere Arbeitsverteilung, mehr Mitarbeiter)
- Verstärkte Gesundheitsförderung im Betrieb
- Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen im Hinblick auf psychische Belastungen und entsprechende Anpassungen in der Arbeitsorganisation
- Änderungen der Betriebskultur, die exzessivem und zwanghaftem Arbeiten entgegenwirken
- Betriebsvereinbarungen, die klare Regelungen z. B. zu Überstunden sowie zur Erreichbarkeit von Beschäftigten nach der Arbeit, am Wochenende oder im Urlaub beinhalten