Personalpraxis - 22.06.2023

Suchthaft Arbeiten kann krank machen

Sie machen alles andere als Dienst nach Vorschrift: Rund zehn Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland sind einer Studie zufolge arbeitssüchtig. Wer psychisch abhängig von seiner Arbeit ist, riskiert negative Auswirkungen auf seine Gesundheit und damit u. U. längere Arbeitsausfälle. Unternehmen können mit gezielten Maßnahmen dazu beitragen, das Risiko von Arbeitssucht zu reduzieren.

Zusammenhang zwischen Arbeitssucht und Gesundheitsgefahren

Eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte aktuelle Studie des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Technischen Universität Braunschweig hat  einen klaren Zusammenhang zwischen suchthaftem Arbeiten und den negativen  Auswirkungen auf die Gesundheit nachweisen können. Demnach zeigt fast  jeder zehnte Beschäftigte – verteilt über alle Berufsgruppen – ein exzessives  und zwanghaftes Arbeitsverhalten (9,8 Prozent). Besonders häufig verbreitet ist  es bei Führungskräften und Beschäftigten in leitender Position (12,4 Prozent).  Die Betroffenen arbeiten nicht nur sehr lange, schnell und parallel an verschiedenen  Aufgaben, sondern haben auch das dauerhafte Bedürfnis zu arbeiten. Sie  können in der Freizeit nicht entspannen und haben ein schlechtes Gewissen,  wenn sie sich freinehmen.

Die  konkreten Ursachen  für die hohe Zahl der  Arbeitssüchtigen sind nach wie vor  unklar. Wissenschaftler vermuten  die Ursachen hierfür u. a. in der  zunehmenden Flexibilisierung der  Erwerbsarbeit, den beschleunigten  Arbeitsprozessen sowie der verstärkten  räumlichen Entgrenzung  von Erwerbstätigkeit und Privatem.

Anzeichen für Arbeitssucht 

Klare Anzeichen für eine Arbeitssucht sowie zwanghaftes Arbeitsverhalten sehen  die Wissenschaftler bei den Beschäftigten, die Aussagen zustimmen wie: 

  • „Es ist wichtig für mich, hart zu arbeiten, auch wenn mir das, was ich tue,  keinen Spaß macht.“ 
  • „Es fällt mir schwer zu entspannen, wenn ich nicht arbeite.“ 
  • „Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich mir frei nehme.“ 

Praxistipp

Der weit verbreitete Begriff des „Workaholics“ kann nur zum Teil mit suchthaftem Arbeiten in Verbindung gebracht werden, da mit dieser Bezeichnung in der Regel Beschäftigte bezeichnet werden, die zwar sehr viel arbeiten, dabei aber glücklich sind.

Negative gesundheitliche Auswirkungen

Die Forscher konnten in der Studie nachweisen, dass das suchthafte Arbeiten auf Kosten der Gesundheit der Beschäftigten geht. Dies gilt sowohl für die Selbsteinschätzung der Arbeitssüchtigen als auch für die tatsächlichen psychosomatischen und körperlichen Beschwerden. Betroffene stufen ihren Gesundheitszustand etwas doppelt so häufig als weniger gut oder schlecht ein wie nicht betroffene Beschäftigte. Zudem zeigen sie im Vergleich zu anderen Beschäftigten deutlich häufiger körperliche oder psychosomatische Symptome, wie z.B. Muskel- und Skelettbeschwerden, Schlafstörungen oder Niedergeschlagenheit), suchen deswegen aber seltener ärztliche Hilfe. Auffällig ist auch die Anzahl der Fehltage: Mit 45 Prozent meldete sich fast die Hälfte der suchthaft Arbeitenden an keinem einzigen Tag im Jahr vor der Befragung krank.

Es zeigt sich, dass suchthaft Arbeitende der Behandlung und Genesung ihrer Beschwerden weniger Beachtung schenken als die gelassen arbeitenden Mitarbeiter. Dies bleibt nicht ohne Auswirklungen: Mögliche Folgen für Beschäftigte, die unter Arbeitssucht leiden, sind erhöhte Risiken für Burnout oder depressive Verstimmungen – psychische Leiden, die zu langwierigen Arbeitsausfällen führen können.

So können Betriebe gegensteuern

Betriebe können versuchen, mit gezielten Maßnahmen das Risiko für suchthaftes  Arbeiten und damit mögliche langwierige Arbeitsausfälle so gering wie möglich  zu halten – besonders auch vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels.  Dies betrifft in erster Linie Änderungen in den betrieblichen Arbeitsbedingungen.  Mögliche Präventionsmaßnahmen könnten z. B. sein: 

  • Sensibilisierung der Beschäftigten und Führungskräfte für das Thema, offener  Umgang mit exzessivem Arbeitsverhalten und die gemeinsame Suche nach  Lösungen bei Problemen (z. B. andere Arbeitsverteilung, mehr Mitarbeiter) 
  • Verstärkte Gesundheitsförderung im Betrieb 
  • Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen im Hinblick auf psychische Belastungen  und entsprechende Anpassungen in der Arbeitsorganisation 
  • Änderungen der Betriebskultur, die exzessivem und zwanghaftem Arbeiten entgegenwirken 
  • Betriebsvereinbarungen, die klare Regelungen z. B. zu Überstunden sowie zur  Erreichbarkeit von Beschäftigten nach der Arbeit, am Wochenende oder im Urlaub  beinhalten 
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass dieser Inhalt zwischenzeitlich veraltet sein könnte.

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