Die nächste Ausgabe erscheint am 01.07.2024.

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Das Magazin der BKK WIRTSCHAFT & FINANZEN

Wie Bälle Kinder bewegen

Thorben Weichgrebe von der BKK WF, eingerahmt von ballstars-Koordinator Florian Heussner und Finn Lemke.

Sport interessiert eigentlich (fast) jedes Schulkind. In Vereinen aktiv wird deshalb aber noch lange nicht Jeder und der Sportunterricht alleine kann den Bedarf nicht decken. Mit den „ballstars“ gibt es in Nordhessen ein tolles Projekt, das sich an immer mehr Grundschulen darum kümmert, dass jedes Kind die Chance auf regelmäßige Bewegung hat.

Im Mittelpunkt des 2015 von Handball-Bundesligisten MT Melsungen mit initiierten Projekts stehen Bälle, genauer gesagt Zielschussspiele mit Ball. Das bedeutet: ganz gleich, ob Handball, Fußball oder Basketball, hier kommen aktuell mehr als 800 Kinder in 40 Gruppen an 24 Schulen auf ihre Kosten. An allen Schulen wurden dazu als außerunterrichtlichen Schulsport zwei Ballsportgruppen (jeweils eine für die Klassen 1 und 2 sowie die Klassen 3 und 4) eingerichtet. Die wissenschaftliche Begleitforschung zu unterschiedlichen sportspielbezogenen Fragestellungen erfolgt durch das Institut für Sport und Sportwissenschaft an der Universität Kassel. Thorben Weichgrebe (BKK W&F) im Gespräch mit Projektkoordinator Florian Heussner und Finn Lemke, Handballprofi und ballstars-Übungsleiter.

Warum starten die ballstars immer mehr durch?

Florian Heussner: Das Interesse an den „ballstars“ ist eigentlich schon seit dem Start sehr groß. Da wir bereits in den Anfangsjahren die Leitung der Ballsportgruppen in die Schulen ausschließlich mit eigenen Übungsleitern gestellt haben, war die Grenze des Wachstums schnell erreicht. Im Jahr 2019 ist dann ein Partnerprogramm zur Ausweitung des Projekts eingeführt worden. Neben den bisherigen Kooperationsschulen wurden nun auch Fortbildungsveranstaltungen für interessierte Lehrkräfte weiterer Grundschulen angeboten, um diese dann als Partnerschulen für das Projekt zu gewinnen. In der Corona-Pandemie sah sich unsere Arbeit und auch die angestrebte Ausweitung der Projektidee einigen Einschränkungen ausgesetzt. Mit der Aufhebung der Beschränkungen nahm dann das Interesse am Partnerprogramm und der damit verbundenen Durchführung des Fortbildungsangebots aber deutlich zu, sodass man sagen kann, seitdem geht es kräftig voran!

Finn, wie bist du zu den ballstars gekommen?

Finn: Ich habe kurz nach dem Fall der harten Corona-Beschränkungen Anfang des Jahres eine Veranstaltung mit Kindern besucht und bemerkt wie wenig dort gerade Sport eine Rolle spielt. Im Gespräch mit Lehrkräften kam dann die Idee auf, ich könnte mit meinem Gesicht ein wenig dazu beitragen, Kinder wieder mehr für Bewegung zu begeistern (lacht). Da die E-Jugend unserer Jugendspielgemeinschaft zu dieser Zeit gerade einen neuen Übungsleiter suchte und ich durch MT-Aktionen wie „Training mit Idolen“ vorher schon Erfahrungen gesammelt hatte, habe ich nicht nur dort schnell zugesagt. So bin ich auch auf die ballstars aufmerksam geworden.

Wie gehst du als Handballer damit um, Kindern Fußball oder Basketball beibringen zu wollen – ist das nicht auch ein bisschen ungewöhnlich?

Finn: Es geht im Projekt ja generell um Zielschussspiele, von daher ist da schon eine klare Verwandtschaft. Und alles was ich wissen muss, lernt man in der Ausbildung, vor allem die Struktur. Und dazu gehört auch ein wichtiger Doppelauftrag: wir vermitteln nicht nur sportartspezifisches Wissen, sondern auch soziale Kompetenz und Regelkunde. Und damit kenne ich mich bestens aus (lacht schon wieder).

Florian: Das unterstreiche ich gerne nochmal. Man kann nicht in eine Gruppe gehen, ohne einen konkreten Plan zu haben, wie die angestrebten Inhalte umgesetzt werden sollen. Die strukturelle und inhaltliche Planung ist dabei sehr wichtig und ein Kernelement im Rahmen der ballstars-Ausbildung. Zudem spielt auch die wissenschaftliche Begleitung mit Blick auf das Projekt eine wichtige Rolle, um im Bereich der Bewegungsentwicklung von Grundschulkindern unterschiedlichen sportspielbezogenen Fragestellungen nachzugehen. Dies ist auch gerade hinsichtlich der Aus- und Fortbildung von Übungsleitenden sowie Lehrkräften von besonderer Bedeutung. Am Ende geht es vor allem auch darum, wissenschaftliche Befunde in die Praxis zu transferieren. Wir wollen den Lehrkräften und Übungsleitenden etwas an die Hand geben, was auch erprobt und praxisnah umsetzbar ist.

ballstars Logo

Beim Schulsport sind naturgemäß auch weniger sportbegeisterte Kids mit dabei – wie geht ihr damit um, auch wenn es mal zu Streitigkeiten kommt?

Finn: Der Leistungsstand ist heterogen, ganz klar. Unser Ziel ist aber trotzdem ein homogenes Spiel in dem alle einbezogen werden. Bewegung und Spiel sollen dabei so viel Spaß machen, dass die Lust von alleine kommt. Aber natürlich bekommt jedes Kind den Raum, in einer schwächeren Phase auch mal beiseite zu treten, um danach wieder voll mitzumachen.

Florian: Richtig. Und bezüglich Streitigkeiten oder Konflikten gilt: Die Übungsleitenden sind in der Regel allein in den Ballsportgruppen und für alle Kinder verantwortlich. Bezüglich der Klärung von Konflikten führt dies immer wieder zu unterschiedlichen Situationen. Einerseits können Streitfälle mit der ganzen Lerngruppe thematisiert werden, um mögliche Lösungsansätze mit allen Kindern zu besprechen. Manchmal bietet es sich aber auch an, Konflikte zwischen den Beteiligten im Einzelgespräch abseits des Spiels zu lösen und das Spielgeschehen für die anderen Kinder gleichzeitig weiterlaufen zu lassen. So können Spielunterbrechungen oder größere Unruhen vermieden werden.

Auch du Florian warst viele Jahre als Fußballer höherklassig unterwegs – fällt es euch eigentlich schwer, bei den ballstars breitensportlich zu denken?

Florian: Ziele der ballstars sind klar der Zugang und die Freude am Ballsport. Die Zielgruppen unserer Tätigkeiten unterscheiden sich dabei im Umgang deutlich voneinander. Der Leistungssport ist mitunter Detailarbeit und baut auf einem Fundament von Fähigkeiten und Fertigkeiten auf, während die ballstars die Teilhabe aller im Blick haben. Den Unterschieden in den Lerngruppen begegnen wir mit kooperativen Lernformen sowie individuellen und gruppenbezogenen Differenzierungsmöglichkeiten in der Gestaltung des Ballsportunterrichtes, sodass jedes Kind mit seinem bisherigen Leistungsstand mitmachen kann. Das funktioniert prima und macht riesigen Spaß!

Finn: Richtig. Und das Modell der ballstars fördert den Teamgedanken und die Rücksichtnahme, damit Stärkere mit Schwächeren zusammenspielen müssen, um Erfolg zu haben. Denn wir wollen alle Teilnehmenden weiterentwickeln.

Wie geht es weiter? Was ist noch in Planung?

Florian: Die Grundschulen bleiben unser Fokus. Für 2023 wird auch wieder mit dem „Tag der ballstars“ geplant, bei dem unsere Gruppen in Form eines Turniertages zusammentreffen und gegeneinander antreten. Erstmals werden dazu auch die Partnerschulen eingeladen. Unser Blick richtet sich zudem auf Anschlussangebote, sodass die Kinder für die Zeit nach der Grundschule im Ballsport aktiv bleiben. Erste Vereinskooperationen wurden dazu bereits mit der TG Rotenburg und dem GSV Eintracht Baunatal initiiert, weitere sollen folgen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Ganz neu ab 28.4.2023: „Glückskinder“

MT Melsungen bietet auch für Kinder mit Entwicklungsverzögerungen ein Angebot

Seine gesellschaftliche Verantwortung stellt die MT Melsungen in Kürze erneut unter Beweis, denn sie bietet der Initiative “Glückskinder” nun auch in Nordhessen eine sportliche Heimat.

Das Ziel: Kindern mit Entwicklungsverzögerungen und geistigen Einschränkungen das Handballspielen in einer eigenen Liga ermöglichen. Sie stammt aus Dänemark, dort wurde vor rund fünf Jahren die “LykkeLiga” ins Leben gerufen, in der inzwischen über 60 Mannschaften aktiv sind. Pionier dieses Projekts in Deutschland ist der Handballverein in Bad Salzuflen, im vergangenen Jahr kam der TV Arnsberg hinzu.

Ivonne Hildebrand, die unter anderem im MT-Nachwuchsbereich tätig ist, leitet das Projekt. Ihr liegt die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen grundsätzlich am Herzen. Und gerade für jene mit Entwicklungsverzögerungen und geistigen Einschränkungen gebe es nicht so viele Angebote: „Deshalb bieten wir dieses Projekt an. Zumal wir alle Handball lieben.“ Gesucht werden zudem weitere Übungsleiterinnen und Übungsleiter, „die viel Spaß und Interesse mitbringen“.

Am Samstag, 29. April, 9:00 Uhr, findet in der Kreissporthalle Guxhagen die erste Spiel- und Trainingseinheit statt. Das besondere Projekt richtet sich an Kinder mit Entwicklungsverzögerungen oder geistigen Einschränkungen im Alter von 5 bis 16 Jahren, zudem können sich interessierte Übungsleiter:innen melden, per Mail an: glueckskinder@mt-melsungen.de.

Denersten Berührungspunkt der MT mit den Glückskindern in Arnsberg findet man übrigens auf Youtube: Finn Lemke war dabei nicht einfach dort nur zu Besuch, sondern absolvierte eine komplette Übungs- und Spaßeinheit mit den Kids (hier geht’s direkt zum Video).

Hinweis: Bitte beachten Sie, dass dieser Inhalt zwischenzeitlich veraltet sein könnte.

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