Vorwort: Liebe Leserinnen und Leser,
Olaf Scholz (SPD) hat schon Ende März schwindelerregende Zahlen präsentiert. Der Bundesfinanzminister legte einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr und die Eckwerte des Etats für 2022 vor. Allein 60 Milliarden Euro kommen für das Jahr 2021 hinzu, insgesamt sind nun 240 Milliarden Euro als Neuverschuldung eingeplant
„Wir nehmen die nötigen Mittel in die Hand, um die wirtschaftlichen und finanziellen Folgen der Pandemie zu bewältigen“, begründete Scholz den Schuldennachschlag. Die bereits angefallenen Krisenkosten sind ebenfalls kaum noch greifbar. Vor Ausbruch der Pandemie betrug die Verschuldung des Bundes 1,3 Billionen Euro. Nach der Krise werden es wohl mindestens, 1,75 Billionen Euro sein, so viel wie nie zuvor. Binnen zwei Jahren ist der Schuldenstand damit um 35 Prozent angestiegen. Auch wenn die Gesetzliche Krankenversicherung von einer Verschuldungsdiskussion dank solider Finanzplanung noch weit entfernt ist: auch die Kosten der gesundheitlichen Versorgung der mehr als 73 Millionen Gesetzlich Versicherten laufen auf ein neues Rekordniveau hinaus. Im Jahr 2020 musste die gesamte Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ein Minus von 6,2 Milliarden Euro verbuchen. Während die Beitragseinnahmen um 10,6 Prozent zunahmen, steigen die Ausgaben um 14,3 Prozent. Zu Lasten der Beitragszahlenden geht dabei eine Vielzahl an versicherungsfremden Leistungen. So sind die staatlich finanzierten Krankenversicherungsbeiträge für Bezieher von Arbeitslosengeld II nicht annähernd kostendeckend. Unkalkulierbare Zusatzbelastungen infolge der Pandemie wiegen zudem besonders schwer. Nach den vorläufigen amtlichen Statistiken werden allein für 2020 rund 2,8 Milliarden Euro an Zusatzausgaben für Hygieneartikel, Testungen, die Sicherstellung der Versorgung in Arztpraxen, Apotheken und Krankenhäusern versicherungsfremd der GKV zugerechnet.
Umso erstaunlicher, dass die Bundesregierung zunächst nur sieben Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt 2022 als zusätzliche Haushaltsmittel zur Stabilisierung der Krankenversicherung eingeplant hatte – bei einem tatsächlichen Finanzbedarf von bis zu 19 Milliarden Euro. Nach einigem Hin und Her ist nun aber wohl doch eine Regelung mit dem Ziel geplant, den durchschnittlichen Zusatzbeitrag nicht steigen zu lassen. Das ist bitter nötig. Denn die gesetzliche Krankenkassen dürfen seit Jahresbeginn nur noch einen Bodensatz an Rücklagen vorhalten. Alle damals darüber hinaus gehenden Reserven wurden als „Pandemie-Sonderopfer“ zwangssolidarisiert und sorgten dafür, dass sich der Kostendruck um ein Jahr verschob. Wir brauchen daher eigentlich noch vor den anstehenden Bundestagswahlen im Herbst strukturelle Veränderungen. Dazu wird es aber nicht kommen, selbst im Wahlkampf wird das Thema wohl keine herausragende Rolle spielen. Dabei wäre es wichtig, wenn die Parteien vor der Wahl sagen würden, wie sie die finanziellen Herausforderungen angehen wollen. Der Politik sollte zudem klar sein: der Bundeszuschuss ist keine nette und seit Jahren gelebte Subvention, sondern eine unsichere und unterfinanzierte Kostenbeteiligung an den gesamtgesellschaftlichen Leistungen wie der Beitragsfreiheit bei Mutterschutz und Elternzeit. Bleiben Sie gesund,
Ihr Björn Hansen
Vorstand