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Legalisierung von Cannabis: Pläne ja, Zeitpunkt nein

A green cannabis leaf on a black background enveloped in smoke

Gesetzgebung im Spagat zwischen Eigenanbau, Kommerzialisierung und EU-Recht

Für viele ist die Cannabis-Legalisierung überfällig, andere warnen vor gesundheitlichen Schäden der Droge. Die aktuelle Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, eine “kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften” einzuführen. Nachdem im Oktober 2022 erste Eckpunkte für das Vorhaben vorgestellt wurden, die nicht mit europäischen und internationalem Recht vereinbar waren, legten Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Grüne) Mitte April die aktuell in der Diskussion befindlichen Pläne vor.

Die neuen Eckpunkte für das Legalisierungsvorhaben sehen eine Art „Legalisierung light“ vor: Erwachsene sollen künftig auf Basis eines 2-Säulen-Modells Cannabis in bestimmten Mengen privat oder in nicht-gewinnorientierten Vereinigungen anbauen dürfen sowie im Rahmen eines regionalen Modellvorhabens in lizenzierten Fachgeschäften erhalten können. Ziel des Gesetzgebers ist demnach, die Qualität zu kontrollieren, die Weitergabe verunreinigter Substanzen zu verhindern, den Jugendschutz sowie den Gesundheitsschutz bestmöglich zu gewährleisten sowie den Schwarzmarkt einzudämmen. Lauterbach bei der Vorstellung: „Cannabis ist ein weit verbreitetes Genussmittel. Es wird in Deutschland oft illegal angeboten und genutzt. Damit gefährdet es häufig die Gesundheit. Besonders Jugendliche sind durch Cannabis in ihrer sozialen und kognitiven Entwicklung beeinträchtigt. Trotzdem konsumieren immer mehr Jugendliche die Droge. Die Schwarzmarktware ist häufig verunreinigt und schafft zusätzliche Gesundheitsgefahren. Das können wir nicht länger hinnehmen. Deswegen wagen wir die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene in klaren Grenzen und drängen den Schwarzmarkt zurück, flankiert durch Präventionsmaßnahmen für Jugendliche. Der Gesundheitsschutz steht dabei im Vordergrund. Die bisherige Cannabis-Politik ist gescheitert. Jetzt müssen wir neue Wege gehen.“

FabioBalbi/depositphotosID: 367856590

Im Überblick: Das beinhaltet das geplante 2-Säulen-Modell

Schritt 1: Vereine und Eigenanbau

  • Im ersten Schritt sollen nicht-gewinnorientierte Vereine unter „engen, klar definierten gesetzlichen Rahmenbedingungen gemeinschaftlich Cannabis zu Genusszwecken anbauen und an Mitglieder für den Eigenkonsum abgeben“ können.
  • Die Mitglieder sollen sich aktiv in der Vereinigung mitwirken, Mitarbeitende der Vereinigungen dürfen auch beim Anbau mitwirken, eine Beauftragung Dritter mit dem Anbau wird hingegen ausgeschlossen.
  • Ein Verein darf maximal 500 Mitglieder umfassen, das Mindestalter für eine Mitgliedschaft beträgt dabei 18 Jahre und es soll lediglich die Mitgliedschaft in einem Club erlaubt sein.
  • Die Vereinigungen sollen Saatgut beschaffen dürfen und neben dem geernteten Genusscannabis sollen an die Mitglieder auch von der Vereinigung erzeugte Samen und Stecklinge für den Eigenanbau abgegeben werden dürfen.
  • Die Abgabe soll ausschließlich an Mitglieder erlaubt sein eingeschränkt werden aufmaximal 25 Gramm Cannabis pro Tag,  maximal 50 Gramm pro Monat und maximal 7 Samen oder 5 Stecklinge pro Monat. Unter 21-Jährige bekommen maximal 30 Gramm pro Monat, zudem soll für sie eine Obergrenze beim Wirkstoffgehalt festgelegt werden.
  • Die Kosten sollen über die Mitgliedsbeiträge gedeckt werden, gegebenenfalls kommt ein zusätzlicher Betrag je abgegebenes Gramm dazu.
  • Die Abgabe darf nur in Reinform (Blüten oder Harz) in neutraler Verpackung oder lose mit bei­gefügten Informationen zu Produkt erfolgen.
  • Der Besitz von bis zu 25 Gramm zum Eigenkonsum soll straffrei sein.
  • Der straffreie private Eigenanbau umfasst maximal drei weibliche blühende Pflanzen.

Schritt 2. Kommerzieller Vertrieb über regionale Modellvorhaben

  • Die zweite Säule soll Unternehmen die Produktion, der Vertrieb und die Abgabe in Fachgeschäften von Genusscannabis an Erwachsene in einem lizensierten und staatlich kontrollierten Rahmen ermöglichen.
  • Die Projektlaufzeit soll fünf Jahre ab eingerichteter Lieferkette betragen, dabei soll eine räumliche Begrenzung auf Abgabestellen und erwachsene Einwohner bestimmter Kreise/ Städte in mehreren Bundesländern (Opt-in-Ansatz) gelten.

(Zeitliche) Umsetzung noch unklar

Beide Säulen sollen nun in konkrete Gesetzentwürfe einfließen. Insbesondere die 2. Säule ist aber auch nach Ansicht der Bundesregierung voraussichtlich weiterhin gegenüber der Europäischen Union notifizierungspflichtig“. Der Begriff der Notifizierung beschreibt ein Verfahren, in dem die EU-Mitgliedstaaten die Europäische Kommission und in einigen Fällen auch die anderen Mitgliedstaaten über einen Rechtsakt in Kenntnis setzen müssen, bevor dieser als nationale Rechtsvorschrift Geltung entfalten kann. Dies hat unter Umstände zur Folge, dass die EU eine Prüfungsmöglichkeit hinsichtlich der Vereinbarkeit des Rechtsakts mit dem Gemeinschaftsrecht erhält. Ein Zeitrahmen, ab wann die neue Cannabis-Regelung in Kraft treten soll, ist daher noch nicht bekannt. Laut Koalitionsvertrag soll das geplante Gesetz zudem vier Jahre nach dem Inkrafttreten auf “gesellschaftliche Auswirkungen” überprüft und bewertet werden.

Hintergrund: Cannabis und seine Wirkung

Cannabis ist der Name einer indischen Hanfpflanze, die den psychoaktiven Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) enthält. Hierzu zählen insbesondere Marihuana (getrocknete Blütenblätter, Stängel und Blätter der Pflanze) und Haschisch (getrocknetes Harz aus den Drüsenhaaren der weiblichen Pflanze).

Tetrahydrocannabinol (THC) bindet sich an sogenannte Cannabinoid-Rezeptoren, die sich im ganzen Körper befinden. Durch den Konsum wird das Gehirn mit THC geflutet. Dadurch können alle Funktionen betroffen sein, zum Beispiel Motorik, Informationsverarbeitung oder Gedächtnis.

Hinweis: Bitte beachten Sie, dass dieser Inhalt zwischenzeitlich veraltet sein könnte.

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